Prozess um Mord an de Vries Wut, Trauer und Schweigen
Wer erschoss den Reporter de Vries? Beim Prozessauftakt in Amsterdam las der Richter Textnachrichten der Verdächtigen aus der Tatnacht vor. Der Hauptangeklagte schwieg. Sein mutmaßlicher Komplize wies die Vorwürfe zurück.
Knapp ein Jahr nach dem Mord an dem niederländischen Kriminalreporter Peter R. de Vries haben sich die Angehörigen mit ergreifenden Worten an die Angeklagten gewandt. Die Hinterbliebenen des prominenten Reporters sprachen am ersten Prozesstag von Wut, ihrer Trauer und ihrem Schmerz.
Das Gericht prüfte Beweise, darunter Videoaufnahmen und Telefonnachrichten, die laut Staatsanwaltschaft einen 22-Jährigen und einen weiteren Verdächtigen mit den tödlichen Schüssen in Verbindung bringen. Der Hauptverdächtige wollte sich aber nicht äußern. "Ich mache von meinem Recht zu schweigen Gebrauch", sagte er. Der andere Verdächtige wies die Vorwürfe zurück: "Ich habe den Mann nicht getötet."
Der prominente Reporter war im Juli 2021 auf offener Straße in Amsterdam angegriffen worden. Er starb neun Tage später.
Die Tat hatte die Niederlande schwer geschockt. De Vries trat in vielen Talkshows und Dokumentationen als Experte auf. Sein Tod löste landesweit Entsetzen aus. Der Fall machte aber auch deutlich, wie brutal und allgegenwärtig das organisierte Verbrechen in den Niederlanden ist.
Mord im Auftrag einer Drogenbande?
Die Anklage geht davon aus, dass der Mord im Auftrag einer berüchtigten Drogenbande verübt wurde. De Vries hatte in dem Fall einem Kronzeugen zur Seite gestanden, dessen Anwalt und Bruder zuvor auch erschossen worden waren.
Die beiden Angeklagten wurden kurz nach der Tat auf der Autobahn gefasst. Die Polizei entdeckte in dem Wagen nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Maschinenpistole und eine weitere, umgebaute Pistole. Forensische Untersuchungen hätten ergeben, dass eine in de Vries' Schädel gefundene Kugel vermutlich von der umgebauten Waffe abgefeuert worden sei.
Im Auto entdeckten die Ermittler auch ein Mobiltelefon, das laut Staatsanwaltschaft Nachrichten enthielt, die auf den Mord anspielten. Einer der Richter las die Nachrichten vor. Ein Austausch enthielt zwei Bilder von de Vries und die Nachricht: "Ihr müsst diesen Hund kriegen." Später lautete eine Nachricht: "E ist tot ... alle schreien. Er hat sich nicht mehr bewegt."
"War nur der Fahrer"
Der Pole Kamil E. mit Wohnsitz in den Niederlanden soll das Fluchtauto gefahren haben. Er bezeichnet sich aber als unschuldig. "Ich habe niemanden ermordet. Ich war nur der Fahrer", sagte er dem Gericht. Er habe den ebenfalls angeklagten Delano G. aus Rotterdam abgeholt und nach Amsterdam gebracht. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass beide im Auftrag handelten.
Die beiden Kinder des Reporters machten vor Gericht von ihrem Rederecht Gebrauch. Royce de Vries sprach von einer "beispiellosen Respektlosigkeit vor dem Leben". Seine Schwester Kelly wollte dem mutmaßlichen Täter in die Augen sehen. Sie sagte: "Anders als Du. Du hast Dich selbst nicht getraut, meinen Vater anzuschauen, als Du ihn von hinten niedergeschossen hast."