Bedingung für Schwedens NATO-Beitritt Erdogan fordert neue EU-Beitrittsgespräche
Im Ringen um die türkische Zustimmung zu einem NATO-Beitritt Schwedens legt Regierungschef Erdogan nun eine neue Bedingung auf den Tisch: Er fordert die Wiederaufnahme von EU-Beitrittsgesprächen für die Türkei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Zustimmung seines Landes zum NATO-Beitritt Schwedens mit der Wiederaufnahme von Beitrittsgesprächen der Türkei zur EU geknüpft.
Vor dem Abflug zum NATO-Gipfel sagte Erdogan an die EU-Länder gerichtet: "Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben."
Schweden hatte nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zusammen mit Finnland im vergangenen Jahr den Beitritt zur NATO beantragt. Dieser muss von allen aktuellen Mitgliedern ratifiziert werden.
Finnland wurde Anfang April ins Bündnis aufgenommen, Schweden fehlt dagegen weiterhin die Zustimmung aus der Türkei und auch aus Ungarn. Bislang blockierte die Türkei die Ratifizierung mit dem Argument, dass das Land zu nachgiebig gegenüber Gruppen sei, die Ankara als Terrororganisationen betrachtet.
NATO hofft auf Einigung bis zum Gipfeltreffen
Schweden hat seine Anti-Terrorgesetze daraufhin bereits verschärft, doch die Türkei kritisiert auch die jüngsten Koranverbrennungen von Islamgegnern in Schweden. Die NATO hofft dagegen, die Aufnahme Schwedens bis zu ihrem Gipfel ab Dienstag festzuklopfen.
Erdogan soll dazu heute in Litauen den schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zu Gesprächen über den schwedischen NATO-Beitrittswunsch treffen. Kristersson hofft, Erdogan davon zu überzeugen, die Einwände der Türkei gegen die Aufnahme Schwedens als 32. Mitglied der NATO entkräften zu können.
Scholz widerspricht Erdogans Forderung
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich indes gegen eine Verknüpfung des NATO-Beitritts Schwedens mit einer Wiederbelebung des EU-Beitrittsprozesses mit der Türkei aus. Beide Fragen würden nicht miteinander zusammenhängen. "Deshalb, finde ich, sollte man das nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen", sagte Scholz. Er bekräftigte, dass Schweden alle Voraussetzung für einen NATO-Beitritt erfülle. "Ich hoffe, dass es uns bald gelingt, dass Schweden NATO-Mitglied werden kann."
Erdogan telefoniert mit Biden
Am Sonntag hatte Erdogan bereits mit US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat über die Aufnahme Schwedens in das Verteidigungsbündnis und weitere Knackpunkte des Gipfels gesprochen. Biden habe in dem Telefonat erneut seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, Schweden so schnell wie möglich in die NATO aufzunehmen, teilte das Weiße Haus mit.
Erdogan wiederum habe Biden in dem Telefonat für die Unterstützung der Forderung nach US-Kampfjets vom Typ F-16 gedankt, hieß es aus Ankara. Zugleich habe Erdogan deutlich gemacht, dass er es nicht für richtig halte, das Thema F-16 mit dem NATO-Beitritt Schwedens zu verknüpfen.
Biden hatte sich vor dem Telefonat in einem CNN-Interview optimistisch zu einer Lösung des Konflikts um den schwedischen NATO-Beitritt geäußert. Er sehe in den Kampfjets ein Mittel, um die Blockade zu lösen. Die US-Regierung hatte in der Vergangenheit wiederholt betont, dass sie die von der Türkei angestrebte Modernisierung ihrer F-16-Flotte unterstütze, es sich dabei aber nicht um eine Gegenleistung für die Zustimmung des Landes zur NATO-Erweiterung handele.
Türkische EU-Beitrittsgespräche auf Eis
Die Türkei hatte 1987 erstmals die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beantragt - einem Vorläufer der EU. 1999 wurde sie zum EU-Beitrittskandidaten ernannt, 2005 wurden offizielle Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Nach dem gescheiterten Militärputsch gegen Erdogan 2016 und den folgenden Massenverhaftungen und anderen Menschenrechtsverletzungen legte die EU den Prozess auf Eis.