Störung der Totenruhe Geldstrafen für "Estonia"-Filmer
Im neu aufgerollten Prozess um eine Störung der Totenruhe sind zwei Schweden verurteilt worden - für die Erkundung des Wracks der 1994 gesunkenen Ostseefähre "Estonia". 2021 hatte das Gericht die beiden Männer zunächst freigesprochen.
In einem neu aufgerollten Prozess um Aufnahmen am Wrack der Ostsee-Fähre "Estonia" sind zwei angeklagte Schweden wegen Störung der Totenruhe zu Geldstrafen verurteilt worden. Anders als bei einem Freispruch vor gut anderthalb Jahren kam das Bezirksgericht von Göteborg in einem nun veröffentlichten Urteil zu dem Schluss, dass der Journalist und der Wrack-Experte doch nach dem schwedischen Estonia-Gesetz verurteilt werden könnten.
Wrack steht als Ruhestätte unter Schutz
Der "Estonia"-Untergang gilt als Europas größte Schiffskatastrophe seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Fähre war 1994 mit 989 Menschen an Bord auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm in internationalen Gewässern vor der finnischen Südküste gesunken. 852 Menschen starben, nur 137 überlebten. Weil viele der Toten nicht geborgen werden konnten, steht das Wrack als Ruhestätte unter Schutz und darf nicht aufgesucht werden. Warum die "Estonia" unterging, konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Die Fähre "Estonia" der Reederei Estline auf einem undatierten Archivbild. Sie sank 1994 mit 989 Menschen an Bord.
Schiff fuhr unter deutscher Flagge
Der Dokumentarfilmer Henrik Evertsson und der Wrack-Experte Linus Andersson waren Teil eines Filmteams, das im September 2019 einen Tauchroboter zur "Estonia" herabgelassen hatte. Dabei hatten sie unter anderem ein mehrere Meter großes Loch im Schiffsrumpf entdeckt, wie sie im September 2020 in einer Dokumentationsserie enthüllt hatten.
Das Göteborger Gericht hatte die beiden Männer im Februar 2021 freigesprochen. Seine ursprüngliche Auffassung war gewesen, dass das Vorgehen zwar nach schwedischem Gesetz strafbar, eine Verurteilung aber nicht möglich sei, weil sie den Tauchroboter von einem unter deutscher Flagge fahrenden Schiff aus in internationalen Gewässern ins Wasser gelassen hätten.
Deutschland sei nicht an die zwischen Estland, Finnland und Schweden getroffene Vereinbarung gebunden, nach der das Wrack als Grabstätte gilt, hieß es damals nach Einschätzung des Gerichts. Das deutsche Schiff werde als deutsches Territorium betrachtet.
Berufung ist noch möglich
Eine Berufungsinstanz hatte den Fall Anfang 2022 aber an das Gericht zur erneuten Prüfung zurückgegeben. Die Strafe wurde auf jeweils 40 Tagessätze zu je 470 beziehungsweise 560 schwedische Kronen festgelegt - umgerechnet betragen die jeweiligen Gesamtsummen rund 1750 beziehungsweise 2100 Euro. Gegen das Urteil kann in den kommenden drei Wochen Berufung eingelegt werden.