Freigabe von Geldern an Ungarn EU-Abgeordnete drohen Kommission mit Klage
Kurz vor dem EU-Gipfel im Dezember hatte die Kommission eingefrorene Gelder an Ungarn freigegeben. EU-Parlamentarier mehrerer Fraktionen kritisieren diese Entscheidung - und wollen möglicherweise dagegen vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Mehrere Abgeordnete des Europaparlaments wollen die Freigabe von EU-Geldern an Ungarn juristisch anfechten. Der Rechtsausschuss des Parlaments solle "sobald wie möglich die nötigen Schritte" für eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einleiten, heißt es in einem Entwurf, auf den sich Vertreter von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen und Linken in Straßburg geeinigt haben.
Die Initiatoren äußern demnach "ernsthafte Bedenken" hinsichtlich der Entscheidung der EU-Kommission, Gelder in Höhe von 10,2 Milliarden Euro an die Regierung von Viktor Orban freizugeben. Ungarn erfülle trotz jüngster Reformen nicht die europäischen Standards bei der Unabhängigkeit seiner Justiz.
Abstimmung über Resolution am Donnerstag
"Dieser Schritt des Europaparlaments ist die unmittelbare Konsequenz aus dem schmutzigen Deal im Dezember", sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. Das Signal an von der Leyen sei deutlich: "Wenn sie einfach Milliardensummen verteilt, um sich Ungarns Vetos zu entziehen, kommt sie damit nicht durch." Über die Resolution soll am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden.
Die Mittel aus der EU-Regionalförderung waren wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn eingefroren worden. Kurz vor dem EU-Gipfel im Dezember hatte die Kommission die rund zehn Milliarden Euro dann freigegeben. Das begründete die Brüsseler Behörde damit, dass Ungarn die erforderlichen Voraussetzungen dafür erfüllt habe. Weiter blockiert bleiben bislang andere Haushaltsmittel in Höhe von knapp zwölf Milliarden Euro sowie milliardenschwere Corona-Hilfen.
Kritiker vermuten hinter Freigabe einen Deal
Für die Wirksamkeit der Reformen gebe es jedoch keine belastbaren Beweise, heißt es in der Entschließung der EU-Abgeordneten. Für den Fall, dass die Kommission weitere Gelder freigibt, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, würde sich das Parlament weitere politische und rechtliche Schritte vorbehalten. Dazu könnte zum Beispiel ein Misstrauensvotum gehören, das im Fall eines Erfolgs einen Rücktritt der Kommission erfordern würde. Ein solcher Schritt wird schon jetzt von liberalen Politikern gefordert.
Kritiker vermuteten hinter der Freigabe der Gelder kurz vor dem Gipfel einen Deal, um Orban zur Aufhebung seines Vetos gegen geplante Milliardenhilfen für die Ukraine zu bewegen. Dem rechtspopulistischen Regierungschef wird vorgeworfen, die EU mit seiner Blockade zu erpressen.
Das Europaparlament kann gegen die Kommission vor den EuGH ziehen, wenn die Abgeordneten einen Verstoß gegen die EU-Verträge vermuten. Ein solches Verfahren könnte jedoch Monate oder Jahre dauern. Die aktuelle EU-Kommission wäre bei einem Urteil wohl nicht mehr im Amt.