Abstimmung im EU-Parlament Gibt es eine Mehrheit für das Naturschutzgesetz?
Heute entscheidet das EU-Parlament über das Naturschutzgesetz. Anhänger halten es für alternativlos, Kritiker befürchten Nachteile für die Landwirtschaft. Der Ausgang der Abstimmung ist völlig offen.
Gestern standen sich Gegner und Befürworter des geplanten EU-Naturschutzgesetzes noch einmal gegenüber - im EU-Parlament und davor. Die Gegner kamen mit Dutzenden Traktoren vor das Parlamentsgebäude in Straßburg, die Unterstützer kamen mit Greta Thunberg.
Während die schwedische Klimaaktivistin an die Abgeordneten appellierte, für eine möglichst starke Regelung zu stimmen, führt der Vorschlag nach den Worten von Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied in die Sackgasse. Die anschließende Parlamentsdebatte zeigte, dass auch im Plenum die Meinungen weit auseinandergehen. Heute entscheidet das Parlament über das Gesetz.
Kritik und Totalblockade
Die EU-Kommission will Städte begrünen, Wälder aufforsten und Moore wieder vernässen. Brüssel möchte mit dem Renaturierungsgesetz bedrohte Arten und Landschaften retten. Bis 2030 soll mindestens ein Fünftel von Land- und Meeresflächen saniert werden. Dabei geht es nicht nur um Naturschutzregionen, sondern auch um bewirtschaftete Gebiete.
Gegner des Vorhabens befürchten, dass auch landwirtschaftlich nutzbare Flächen wegfallen würden. Nach Ansicht von CDU-Europapolitikern nimmt die Kommission zu wenig Rücksicht auf Landwirte. Sie bezeichnen den Gesetzentwurf außerdem als handwerklich schlecht.
Normalerweise versuchen die pro-europäischen Fraktionen im EU-Parlament in solchen Fällen, Vorlagen in ihrem Sinne zu verändern. Beim Renaturierungsgesetz aber setzt die EVP-Fraktion, in der die Abgeordneten von CDU und CSU sitzen, auf Totalblockade. Sie fordert die Kommission auf, einen neuen Entwurf zu schreiben. Das lehnt Brüssel mit dem Hinweis ab, dass das Gesetz dann nicht mehr bis zur Europawahl im nächsten Juni kommen würde.
Klimaaktivisten stehen vor dem Europäischen Parlament und demonstrieren für das "Nature Restoration Law".
Zentral für den Green Deal
Das Gesetz, gegen das die EVP mobil macht, ist zentraler Bestandteil von Ursula von der Leyens Green Deal, dem Plan der Kommissionschefin für Europas nachhaltigen Umbau. Damit bekommt die CDU-Politikerin in einem wichtigen Bereich Widerstand aus den eigenen Reihen.
Nach Darstellung der Grünen braucht die EU das Gesetz, um das Artensterben zu stoppen und ihre Klimaziele zu schaffen. Schließlich soll ein Zehntel der Emissionsminderung über Wälder und Böden erreicht werden, die Kohlenstoff aufnehmen und speichern. Wenn diese geschädigt sind, geben sie sogar CO2 in die Atmosphäre ab.
Die Kommission entgegnet Kritikern, dass die Mitgliedsstaaten eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des geplanten Gesetzes übernehmen sollen. Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in einem offenen Brief Argumente der Gesetzesgegner zurückgewiesen. Darin schreiben sie unter anderem, die größten Risiken für die Ernährungssicherheit gingen vom Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt aus.
Strategie für neue Mehrheiten?
Aber die Debatte reicht längst weit über den Naturschutz hinaus. Im federführenden Umweltausschuss bekam der Entwurf Ende vergangenen Monats nicht die nötige Mehrheit, weil die EVP-Mitglieder mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen dagegen stimmten.
Grüne und SPD vermuten dahinter eine Strategie von EVP-Fraktionschef Manfred Weber, mit Blick auf die Zeit nach der Europawahl neue Mehrheiten rechts von der Mitte zu organisieren. Ob der Entwurf für das Renaturierungsgesetz eine Mehrheit im Plenum bekommt, stellt sich am Mittag heraus.
Das Ergebnis der Abstimmung ist völlig offen und hängt davon ab, wie viele Abweichler es in den Reihen von EVP, Liberalen und Sozialdemokraten von der jeweiligen Fraktionslinie gibt. Unklar ist auch, wie die EU-Institutionen weiter vorgehen, falls das Vorhaben im Parlament scheitert.