Energieeffiziente Gebäude Schlussakt im Ringen um die Richtlinie?
Um die Richtlinie für die Energieeffizienz von Gebäuden ist in der EU hart gerungen worden. Nun soll sie vom Parlament verabschiedet werden - doch Änderungen sind bis zum Schluss möglich. Was könnte sie ändern?
Das EU-Parlament in Straßburg kann heute den Haken hinter die Gebäuderichtlinie setzen. Mitgliedsländer und Parlament haben sich bereits im Dezember auf neue Zielvorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die Richtlinie ist Teil des Europäischen Grünen Deals. Neben vielen anderen Gesetzen des sogenannten Fit-for-55-Pakets soll sie dazu beitragen, den C02-Ausstoß bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und in einem weiteren Schritt bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
Der Gebäudesektor gilt dabei neben dem Verkehrssektor als großes Hindernis auf dem Weg zur Klimaneutralität. Nach Angaben der EU-Kommission entfallen 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union auf Gebäude. Bisher liegt der Umfang der Sanierungen weit unter den Erwartungen. Die Baubranche leidet unter Auftragseinbrüchen. Gleichzeitig steigt der Anteil der Menschen, die von Energiearmut bedroht sind. Dem versucht die Richtlinie zu begegnen.
Einsparziele beim Primärenergieverbrauch
Die Richtlinie setzt unter anderem Zielvorgaben für den Wohngebäudebestand. Dabei unterscheidet sie zwischen Nicht-Wohngebäuden und Wohngebäuden.
Bei Wohngebäuden müssen die Mitgliedsländer sicherstellen, dass der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohnungsbestandes bis 2030 um mindestens 16 Prozent und bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent sinkt. Vergleichswert dazu ist das Jahr 2020.
Einen Großteil der Energieeinsparungen müssen dabei die Gebäude leisten, die am schlechtesten energetisch saniert sind. Wie die Vorgabe erreicht wird, liegt weitgehend in der Verantwortung der jeweiligen Mitgliedsstaaten.
Schwellenwert für die Energieverschwender
Bei den Nicht-Wohngebäuden müssen die Mitgliedstaaten nach und nach sicherstellen, dass die energetisch schlechtesten Gebäude einen bestimmten Schwellenwert beim Energiebedarf nicht mehr unterschreiten.
Unter Primärenergieverbrauch versteht man dabei die gesamte Energie, die notwendig ist, damit der Endenergiebedarf eines Hauses gedeckt werden kann. Bevor die Energie die Immobilie erreicht, müssen etwa fossile Energieträger aufwendig gewonnen und umgewandelt werden. Auch das wird also beim Primärenergieverbrauch berücksichtigt.
Von den neuen Vorschriften ausgenommen werden können landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude, ebenso architektonisch wertvolle Immobilien, Kirchen oder temporäre Gebäude.
Null-Emissionsgebäude beim Neubau
Ab 2028 sollen Neubauten im öffentlichen Eigentum gar keine Emissionen ausstoßen. Man spricht von "Zero Emission Buildings" (ZEB). Ab 2030 sollen alle Neubauten ZEB sein. Wenn es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 schrittweise Solaranlagen in öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden, je nach deren Größe und in allen neuen Wohngebäuden installieren. In neun deutschen Bundesländern gibt es bereits einen Solarstandard, der dann bundesweit ausgeweitet werden muss.
Ab 2025 darf auch der Einbau einer Gas- oder Ölheizung nicht mehr finanziell gefördert werden. Möglich sind aber finanzielle Anreize zum Einbau hybrider Heizsysteme, wenn der Heizkessel zusammen mit einer Solarthermie-Anlage oder einer Wärmepumpe kombiniert wird. Heizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen funktionieren, sollen bis 2040 ersetzt werden.
Keine Sanierungspflicht
Die Gebäude-Richtlinie hatte während der Verhandlungen viel Kritik auf sich gezogen. Von Zwangssanierungen und einer finanziellen Überlastung von Wohnungseigentümern war die Rede. Ursprünglich sollten die Gebäude im schlechtesten energetischen Zustand schrittweise teilsaniert werden. Ziel war es im Vorschlag der Kommission, dass alle Wohnhäuser bis zum Jahr 2030 in die Energieeffizienzklasse F aufsteigen, 2033 dann in die Klasse E.
Auch das EU-Parlament hatte schärfere Regeln vorgeschlagen. Während der Verhandlungen wurden der Richtlinie die scharfen Zähne wieder gezogen. Viele der Sanierungsziele gelten nur unter Vorbehalt, dass sie wirtschaftlich und technisch machbar sind. Zur Erreichung der Einspar-Zielvorgaben können auch bisherigen Fördermaßnahmen gegengerechnet werden.
Wie es nach der Abstimmung weitergeht
Im Dezember hatten sich EU-Parlament, Länder und Rat bereits auf den Kompromiss geeinigt. Heute stimmt das EU-Parlament final über das Gesetz ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch Änderungsanträge zur Abstimmung gestellt werden.
Manche Christdemokraten etwa hatten den Mehrwert der Richtlinie in Frage gestellt, weil der europäische Emissionshandel bereits auf den Gebäudebereich ausgeweitet wurde. Auch von Teilen der Liberalen und Vertreter rechter Fraktionen gab es Kritik an zu viel Regulierung.
"Die EU-Gebäuderichtlinie EPBD könnte bei der geplanten Abstimmung als einziges Vorhaben des Green Deals scheitern", warnt der Umweltverband WWF Deutschland. "Das hätte drastische Konsequenzen für den Klimaschutz im Gebäudebereich und könnte das Risiko für Energiearmut erhöhen."
Nationale Gebäudesanierungspläne
Sobald die Richtlinie beschlossen ist, haben die EU-Staaten 24 Monate Zeit, die Regeln in nationale Gesetzgebung zu gießen. Dabei können sie auch Spielräume des Gesetzes nutzen. Denkbar wären Ausnahmeregelungen für Rentner, sozial benachteiligte Menschen oder Ferienimmobilien.
Ende kommenden Jahres sollen der EU-Kommission die nationalen Renovierungspläne der Mitgliedsländer vorgelegt werden und ein weiteres Jahr darauf dann verabschiedet werden.
Die Richtlinie wirkt also nicht sofort. Da sich allerdings die Sanierungszyklen im Bau über mehrere Jahre hinziehen, bereiten sich Investoren und Baubranche schon jetzt auf die Veränderungen vor.
Mehr als zwei Millionen Wohngebäude in Deutschland haben schätzungsweise die Energieeffizienzklasse G. Das entspricht knapp 15 Prozent der deutschen Wohnimmobilien. Auf diese besonders energieverbrauchenden Gebäude dürfte der Fokus der politischen Debatte nun fallen.