Ein Bauarbeiter arbeitet im Auߟenbereich des Hauptsitzes der EU-Kommission in Brüssel (Belgien), während neben ihm Europaflaggen wehen

EU-Gipfel Drei Baustellen und die Sache mit Ungarn

Stand: 15.12.2022 12:28 Uhr

Nach dem Treffen mit den ASEAN-Staaten wendet sich der EU-Gipfel heute den Problemen innerhalb der Union zu. Hart dürfte um einen Gaspreisdeckel gerungen werden. Aber der Blick richtet sich auch auf den ungarischen Ministerpräsidenten Orban.

Der Gaspreisdeckel ...

… ist nach wie vor hoch umstritten. Mindestens 15 Länder wollen endlich eine Obergrenze, andere sind strikt dagegen. Die EU-Kommission hat inzwischen einen Vorschlag gemacht, wie eine "befristete und flexible Preisobergrenze" aussehen könnte, die zumindest extreme Schwankungen verhindern soll.

Das Problem: Bisher haben sich die zuständigen Energieminister nicht darauf einigen können. Widerstand kommt unter anderem aus Deutschland und den Niederlanden. Sie befürchten, dass Lieferanten ihre Tanker dahin umleiten, wo es mehr zu verdienen gibt - und Europa auf dem Trockenen sitzt.

Die Bundesregierung spricht von einem Zielkonflikt zwischen Versorgungssicherheit und niedrigen Preisen. Heißt im Klartext: Man kann entweder das eine haben oder das andere.

Wegen des Streits liegen auch die Pläne für einen gemeinsamen Gaseinkauf und schnellere Genehmigungen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auf Eis. Für den Fall, dass der Gipfel keine Lösung bringt, ist für Montag schon mal ein weiteres Sondertreffen der Energieminister angesetzt.

Das grenzenlose Reisen …

… innerhalb der Europäischen Union liegt für die Menschen in Rumänien und Bulgarien nach wie vor in weiter Ferne. Der Beitritt beider Länder zum sogenannten Schengen-Raum, in dem sich EU-Bürgerinnen und -Bürger frei und ohne Passkontrollen bewegen können, ist nämlich gerade am Widerstand aus Österreich gescheitert.

Das Land befürchtet, dass mehr Asylsuchende in andere EU-Staaten kommen, was aber selbst führende Mitglieder der Koalition aus ÖVP und Grünen für unbegründet halten. Laut EU-Kommission haben sowohl Rumänien als auch Bulgarien alle Anforderungen für einen Beitritt längst erfüllt.

Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten hoffen deshalb, den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer bei diesem Gipfel umstimmen zu können. Die Regierung in Wien hatte zuletzt nur für Kroatien den Weg in die Schengen-Zone freigemacht. Was auch daran liegen kann, dass dort viele Österreicher gerne Urlaub machen.  

Der drohende Handelskrieg mit den USA …

… sollte unbedingt vermieden werden, immerhin darin sind sich die EU-Staaten einig. Die Sorge ist groß, dass die Regierung von Präsident Joe Biden mit ihrem gigantischen Konjunkturprogramm amerikanischen Firmen unfaire Wettbewerbsvorteile verschafft und die Europäer leer ausgehen.

Mehr als 350 Milliarden Euro wollen die USA in Klima- und Sozialprojekte stecken, um die Wirtschaft anzukurbeln und die galoppierende Inflation zu bremsen. Geplant sind unter anderem gewaltige Subventionen für Elektroautos, Batterien und Erneuerbare Energien "Made in Amerika", sprich: für Produzenten in den USA.

Wie Europa darauf antworten soll, ist umstritten. Mit laxeren Beihilferegeln für europäische Unternehmen, so wie das Kommissionspräsidentin von der Leyen vorschlägt? Mit ähnlichen Fördergeldern für Produkte aus der EU, was einen transatlantischen Subventionswettlauf zur Folge haben könnte - und womöglich mit weiteren, gemeinsamen Krediten finanziert werden müsste?

Nicht nur Deutschland ist skeptisch. Finanzminister Christian Lindner sieht jedenfalls für neue europäische Schulden aktuell keinen Anlass.

Der große Streit mit Ungarn …

… ist dagegen erstmal vom Tisch. Trotz - oder vielleicht sogar wegen - der historischen Entscheidung der anderen EU-Staaten, dem Land 6,3 Milliarden Euro an europäischen Fördergeldern zu streichen, weil die Regierung von Viktor Orban zu wenig gegen die grassierende Korruption unternimmt und gezielt den Rechtsstaat demontiert.

Seine Vetos gegen wichtige EU-Projekte wie etwa das 18 Milliarden Euro schwere Finanzpaket für die Ukraine und die weltweite Mindeststeuer für internationale Großkonzerne hat Orban kurz vor dem Gipfel jedenfalls zurückgezogen. Wahrscheinlich, um wenigstens die Corona-Hilfen zu retten. Die EU hatte nämlich damit gedroht, das für Ungarn vorgesehene Geld zu großen Teilen verfallen zu lassen.

Der befürchtete Showdown bei diesem Gipfel bleibt also aus. Interessant dürfte sein, wie Orban im Kreise seiner Kolleginnen und Kollegen auftreten wird. Von den ungarischen Extratouren haben nämlich die meisten ganz offensichtlich die Nase gestrichen voll.

 

Stephan Ueberbach, Stephan Ueberbach, ARD Brüssel, 14.12.2022 18:28 Uhr