Streit um EU-Personalie "Gefälligkeit" oder "Super-Besetzung"?
Die EU-Kommissionspräsidentin hat einen CDU-Politiker zum Mittelstandsbeauftragten ernannt. Parteifreunde sprechen von einer ausgezeichneten Wahl. EU-Abgeordnete aber wittern Parteienfilz und wollen das rückgängig machen.
Der Christdemokrat Markus Pieper aus dem Münsterland sitzt seit 20 Jahren im Europäischen Parlament. Er hat Industriepolitik gemacht, für Bürokratieabbau geworben und stand dem Parlamentskreis Mittelstand der Unionsabgeordneten vor.
Deshalb kam Piepers Karrieresprung zunächst wenig überraschend: Ende Januar ernannte ihn die EU-Kommission zum neuen Beauftragten für kleine und mittlere Unternehmen. Die Behörde lobte seine Erfahrung und Fachkenntnis. Am kommenden Dienstag soll er seinen Posten antreten, der laut Gehaltstabelle mit monatlich anfangs 18.434 Euro dotiert ist.
Aber das wollen einige EU-Abgeordnete mit einem Antrag verhindern, über den das Parlament heute abstimmt. Sie bezweifeln, dass es bei der Besetzung mit rechten Dingen zuging. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund verweist auf Berichte, wonach zwei Mitbewerberinnen aus Schweden und Tschechien im Vorauswahlverfahren besser abgeschnitten hätten als Pieper. Nach Freunds Worten erweckt das den Eindruck, man erteile Parteikollegen politische Gefälligkeiten.
Nur folgerichtig?
Die könnten nach Ansicht der Kritiker darin bestehen, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die als EVP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl in zwei Monaten antritt, mit Piepers Ernennung Unzufriedene in den eigenen Reihen besänftigen will. Tatsächlich bemängeln EVP-Abgeordnete, die Kommissionschefin zeige sich zu wenig und mache grüne Klimapolitik.
Auch Pieper hatte die Wirtschaftspolitik der Kommission kritisiert. Künftig soll er daran mitarbeiten. Der Sprecher der Unionsabgeordneten, Daniel Caspary, begrüßt das und spricht von einer "Super-Besetzung". Nach Casparys Worten hat sich Pieper jahrelang für die Belange kleinerer und mittelständischer Unternehmen im EU-Parlament eingesetzt. Aus seiner Sicht war nur folgerichtig, dass die Kommission Pieper für die Stelle berief.
Auch Kommissare kritisch
Ende März, zwei Monate nach der Berufung, verlangten auch vier EU-Kommissare in einem Brief Aufklärung. Es handelt sich um den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für die Europawahl Nicolas Schmit - also von der Leyens Gegner im Wahlkampf - sowie dessen Parteifreunde, den Außenbeauftragten Josep Borrell und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Ebenfalls unterschrieben hat der Liberale Thierry Breton, der sich vor kurzem in einem Beitrag bei X über mangelnde Unterstützung der EVP für ihre Kandidatin mokierte.
Anfang der Woche verteidigte dagegen der für Personalfragen zuständige Kommissar Johannes Hahn das Verfahren in einem Schreiben an seine vier Kollegen: Demnach seien drei Bewerber in die engere Wahl für die letzte Phase des Auswahlverfahrens gekommen.
In dieser, so Hahn, gebe es keine Rangfolge auf Grundlage der vorangegangenen Etappen: "Im Rahmen des üblichen Ermessensspielraums für solche hochrangigen Ernennungen wurde Herr Pieper dem Kollegium aufgrund seiner umfassenden Erfahrung und seiner Erfolgsbilanz im Bereich der KMU zur Bestätigung vorgeschlagen, was in der Sitzung des Kollegiums auch ohne weitere Einwände dargelegt wurde."
Parlamentsantrag wohl ohne Folgen
Kommissionssprecher Eric Mamer, der das Vorgehen bei den mittäglichen Pressekonferenzen seit Tagen zu verteidigen versucht, vergleicht das Verfahren mit einem Fußballturnier: Nach der Gruppenphase gehe es wieder bei Null los. So laufe es auch beim Auswahlverfahren innerhalb der Kommission.
Markus Pieper selbst erklärt auf Anfrage schriftlich: "Ich habe ein sehr anspruchsvolles Verfahren erfolgreich abgeschlossen. Fragen dazu hat die Kommission bereits beantwortet."
Das sehen Abgeordnete von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken anders, sie warten nach eigenen Angaben noch auf Antworten der Behörde. Heute stimmt das Plenum im Rahmen der Entlastung der Kommission für den Haushalt 2022 über ihren Antrag ab, Piepers Ernennung rückgängig zu machen und ein "wirklich transparentes und offenes Verfahren" einzuleiten.
Auch wenn der Vorstoß eine Mehrheit bekommt, dürfte er am Fortkommen des CDU-Politikers aus dem Münsterland nichts mehr ändern. Über die Ernennung ihrer leitenden Beschäftigten entscheidet die Kommission selbst.