Kurswechsel in Warschau EU stellt Polen eingefrorene Milliardenhilfen in Aussicht
Die EU will nach dem Wahlerfolg der Opposition in Polen dem Land eine Anschubfinanzierung für saubere Energien gewähren. Sollten rechtsstaatliche Reformen folgen, könnten auch blockierte Gelder in Milliardenhöhe wieder fließen.
Offiziell begründete die EU-Kommission ihren Schritt damit, dass Polen wegen einer vergleichsweise hohen Inflation und dem Krieg in der Ukraine besonders leide. Aber vor allem ist es ein Begrüßungspräsent für das proeuropäische Dreierbündnis der bisherigen Opposition, das demnächst, unter Führung des früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, die Regierungsgeschäfte in Warschau übernehmen will.
"Mit dem Regierungswechsel von der rechtspopulistischen PiS hin zur Europäischen Volkspartei und Donald Tusk wird deutlich, dass in Polen vieles, was in den letzten Jahren schief lief, wieder repariert und in eine gute Richtung gebracht werden kann", sagte der CDU-Europapolitiker Daniel Caspary, der Vorsitzender der Unions-Gruppe im EU-Parlament ist. "In dem Sinn ist es gut, wenn die Europäische Kommission Polen hier entgegenkommt und der Regierung einen guten Start ermöglicht."
Freigabe ist an Meilensteine geknüpft
Für Brüssel ist besonders wichtig, dass Polen nicht länger nationales Recht über das der EU stellt, und Gerichte sowie Staatsanwaltschaften entpolitisiert werden, sagte der Grüne Europaparlamentarier Daniel Freund. Natürlich sei die Freude groß über den Wahlsieg der Opposition und das Versprechen, den Rechtsstaat schnell zu reparieren: "Aber dieses Versprechen muss natürlich auch eingelöst werden. Die nötigen Reformen, die Meilensteine, müssen erfüllt werden, bevor Geld fließen kann."
Wegen der seit 2016 eingeleiteten "Justizreformen" hat die EU zwei Drittel der Gelder, die Polen eigentlich zustehen, eingefroren: unter anderem 35 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds - 24 Milliarden davon Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die Freigabe der Gelder ist an Meilensteine geknüpft, die im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der polnischen Justiz stehen.
"Regierung muss konkrete Schritte unternehmen"
Das gilt auch für weitere rund 25 Milliarden Euro aus dem Repower-EU-Programm, mit dem saubere Energien gefördert werden. Aus diesem Topf erhält Polen nun 5,1 Milliarden Euro als so genannte Anschubfinanzierung, die an keine Bedingungen geknüpft ist, erklärte der FDP-Europaparlamentarier Moritz Körner. Ansonsten aber bleibe es dabei, dass Auszahlungen erst möglich sind, wenn Polen die Meilensteine bei der Wiederherstellung des Rechtsstaates erfüllt.
"Denn nur weil eine neue Regierung gewählt worden ist, kann es nicht bedeuten, dass jetzt alle Gelder nach Polen fließen", sagte Körner. Es müsste tatsächlich konkrete Veränderungen in der Rechtsstaatlichkeit geben und der Rechtsstaat in Polen wieder aufgebaut werden. "Hier ist die neue Regierung von Donald Tusk gefordert, sobald sie im Amt ist, auch ganz konkrete Schritte zu unternehmen."
Präsident Duda kann weiter Einfluss nehmen
Man darf gespannt sein, wie streng sich die EU-Kommission künftig geben wird. Denn die polnische Justiz neu zu ordnen und die Gerichte zu unabhängigen Institutionen zurückzubauen, wird nicht über Nacht gelingen. Außerdem kann Präsident Andrzej Duda, dessen Amtszeit erst Mitte 2025 endet, vieles verzögern und beeinflussen.
Nachdem klar war, dass seine PiS-Partei ihre Mehrheit verloren hatte, ernannte er Dutzende Richter und Beisitzer, die von jenen Juristen, die sich an EU-Recht halten, nicht anerkannt werden.