Mensch vs. Künstliche Intelligenz in der EU Wie die KI die Arbeit der Übersetzer ändert
Die EU-Kommission baut unter anderem auf KI-gesteuerte Übersetzungsprogramme. Die werden immer besser - und die Zahl der EU-Übersetzerinnen und Übersetzer sinkt. Doch wie weit können die Maschinen den Menschen ersetzen?
Sie sorgen dafür, dass sich Europa versteht: Dolmetscherinnen und Dolmetscher übersetzen Reden wie die von Kommissionschefin Ursula von der Leyen in die 24 Amtssprachen der EU. Übersetzerinnen und Übersetzer übertragen Gesetzesvorlagen, damit Regierungen und EU-Abgeordnete auch wissen, was sie da beschließen.
Die EU ist neben den Vereinten Nationen das größte Sprachenprojekt seit dem Turmbau zu Babel. Allein der Übersetzerdienst der Kommission verfügt über 2.000 Beschäftigte, zwei Drittel davon sind Frauen, die meisten sitzen in Luxemburg und Brüssel. Aber es werden weniger: 18 Prozent über die vergangenen zehn Jahre - auch weil künstliche Intelligenz, selbst lernende Computer, die Arbeit übernehmen.
Ganz ersetzen können die Maschinen den Menschen nicht, betont der zuständige Generaldirektor Christos Ellinides. "Wenn die Übersetzung in eine der 24 Amtssprachen nicht korrekt ist, kann die Umsetzung der Rechtsvorschriften in einem Mitgliedsstaat anders ausfallen als in einem anderen." Es werde also das menschliche Element gebraucht, um die Qualität dessen zu kontrollieren, was die Maschinen ausgeben. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir zum Beispiel Gesetzestexte nicht einfach nur mit Hilfe von KI oder maschineller Übersetzung erstellen können."
EU-Kommission setzt auf Künstliche Intelligenz
Die Generaldirektion von Ellinides hat niemanden entlassen, aber nicht alle, die in Rente gingen, wurden ersetzt. Die EU-Kommission baut seit Langem auf Maschinenübersetzung, seit vier Jahren auch auf neuronale Netze - also Strukturen, die Nervenzellen nachempfunden sind, um Daten auszuwerten und Muster zu finden. Jüngste Errungenschaft ist ein KI-gesteuertes Programm, das umfängliche Texte auf höchstens drei Seiten zusammenfasst. Je mehr Daten es gibt, desto besser werden die Maschinen.
Wenn Übersetzer die Datenbanken also füttern, schaffen sie sich praktisch selbst ab, beklagt Marion Thur, die als Übersetzerin beim Rat gearbeitet hat - also bei der Vertretung der Mitgliedsstaaten. "Indem wir mehr und mehr übersetzen, vergrößern wir immer mehr den Korpus dessen, was existiert, und sind dann nachher immer mehr überflüssig. Ich finde es sehr schade, dass sich der Beruf im Grunde genommen selbst abschafft und wir dazu selbst beitragen."
"Wir werden weniger und produzieren mehr"
Die Technologie nimmt uns nicht die Arbeit weg, sondern verändert sie, erklärt dagegen der Däne Mads Nyegaard Outzen. Er ist seit 20 Jahren Übersetzer im EU-Parlament. "Und das ermöglicht es uns auch, schneller zu arbeiten, besser zu arbeiten und wir können natürlich auch Ressourcen einsparen, das ist ganz klar." Eine große Veränderung sei, dass die Übersetzer jetzt eher Texte revidieren, während sie diese früher übersetzt haben. "Jetzt gibt es einen Vorschlag vom Computer, den wir überarbeiten können."
Wir werden weniger und produzieren mehr, sagt der Übersetzer Outzen, und Maschinen helfen dabei. Im vergangenen Jahr wurden im EU-Parlament 2,9 Millionen Seiten übersetzt - ein Stapel so hoch wie der Eiffelturm.
Den Ton treffen Menschen immer noch besser
Auch Parlamentsdolmetscherin Andrea Seidenstücker nutzt Computer, die sich ständig weiterentwickeln. Inzwischen zeigen sie während einer Rede auch Eigennamen und Zahlen auf dem Bildschirm an, was eine große Hilfe ist. Außerdem: "Wenn man zehn Minuten bevor jemand ans Rednerpult tritt, eine Rede bekommt, dann ist es heute möglich, die durch ein maschinelles Übersetzungssystem zu schicken. Nicht, um hinterher abzulesen, was die Maschine da produziert hat, aber um schon einmal eine Grundlage zu haben."
Auch bei den Parlamentsdolmetschern wurde ebenfalls Personal abgebaut, sagt Seidenstücker, aber nicht wegen KI - Geld sei eben überall knapp. Um ihren Job sorgt sie sich nicht. In der EU-Politik macht der Ton die Musik und den würden Menschen eben immer noch besser treffen als Maschinen. "Ob ein Politiker von der Regierung ist oder von der Oppositionspartei, also welcher politischen Richtung er oder sie angehört, spielt eine ganz große Rolle dafür, wie ich mich ausdrücken muss", erklärt Seidenstücker.
Und auch welches Thema wann wie angesprochen werde: "Es macht einen Unterschied, ob das eine kleine Arbeitsgruppe ist oder ob es die Gedenkveranstaltung zu den sowjetischen Deportationen aus dem Baltikum ist - indem man einfach einen ganz anderen Ton verwenden muss. Das kann KI bisher gar nicht."