Slowakischer Regierungschef Attentat auf Fico - Kritik am Sicherheitskonzept
Hätte das Attentat auf Fico verhindert werden können? Experten in der Slowakei üben deutliche Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen am Ort des Anschlags. Der Zustand des Regierungschefs ist weiter ernst.
In der Slowakei wird nach dem Attentat auf Regierungschef Robert Fico auch über mögliche Versäumnisse bei den Sicherheitsmaßnahmen in der Kleinstadt Handlova diskutiert. Dort kam es nach einer Kabinettssitzung zu den Schüssen, als Fico an einem Zaun versammelten Anhängern die Hände schütteln wollte.
Die Behörden prüfen, ob seine Personenschützer den Regierungschef nicht ausreichend geschützt haben. Mehrere Experten kritisierten die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort oder sprachen sogar von einem Versagen. Manche Medien werfen zudem die Frage auf, wie ein offenbar auf einer Polizeiwache - möglicherweise sogar von einem Beamten - aufgenommenes Video des mutmaßlichen Attentäters an die Öffentlichkeit gelangen konnte.
Noch nicht außer Lebensgefahr
Der Zustand des Politikers ist nach Aussage des designierten Präsidenten Peter Pellegrini weiterhin sehr ernst. Mit einer schnellen Genesung ist offenbar nicht zu rechnen. Der 59-Jährige befindet sich nach einer fünfstündigen Operation weiter auf der Intensivstation des Universitätskrankenhauses in Banska Bystrica. Über das weitere Vorgehen, etwa eine Verlegung in die Hauptstadt Bratislava, müssen nun die Ärzte entscheiden, sagte die Klinikdirektorin Miriam Lapunikova der Zeitung "Dennik N". Das entsprechende Gremium werde voraussichtlich am Montag zusammenkommen.
Laut Verteidigungsminister und Vizeregierungschef Robert Kalinak wurde Fico von vier Kugeln getroffen, die Verletzungen seien sehr schwerwiegend. "Den Ärzten ist es gelungen, den Zustand zu stabilisieren", sagte Kalinak. Fico sei aber noch nicht außer Lebensgefahr. Lapunikova warnte, die Folgen der Schussverletzungen könnten eine Genesung erschweren. Ein erfahrener Chirurg, der nicht zum Behandlungsteam gehört, sagte "Dennik N", die nächsten drei bis vier Tage dürften entscheidend sein.
Genesungswünsche von Orban
Nach den Worten seines ungarischen Kollegen Viktor Orban schwebt Fico zwischen Leben und Tod. "Wir wünschen ihm eine rasche Genesung und Rückkehr zur Arbeit", sagte Orban dem öffentlichen Rundfunk. Selbst wenn Fico sich erhole, würde er allerdings in einer schwierigen Zeit vor der Europawahl Anfang Juni nicht arbeiten können.
"Wir stehen vor einer Wahl, die nicht nur über die Mitglieder des Europäischen Parlaments entscheidet, sondern zusammen mit der Wahl in den USA den Verlauf von Krieg und Frieden in Europa bestimmen kann", sagte Orban. "In dieser Situation hätten wir Robert Fico und eine Slowakei, die für den Frieden ist, dringend gebraucht."
Droht Fall der Regierung?
Sollte es zum Rücktritt Ficos aus gesundheitlichen Gründen kommen, würde damit gemäß der slowakischen Verfassung automatisch die gesamte Regierung zu Fall gebracht. Dass ein Ministerpräsident wegen eines Attentats die Amtsgeschäfte nicht fortführen kann, scheinen die Väter des Grundgesetzes nicht berücksichtigt zu haben.
Solange Fico bis zur vollen Genesung nur pausiert, führen seine Stellvertreter in der Zeit die Regierungsgeschäfte weiter - mit Kalinak als Erstem in der Reihenfolge.
Tat eines Einzelgängers
Die Regierung nannte unterdessen Details zu dem Täter, der unmittelbar nach dem Attentat festgenommen wurde. Es handele sich um einen "einsamen Wolf", der keiner politischen Gruppe angehöre, sagte Innenminister Matus Sutaj Estok. So sei der Verdächtige weder Mitglied einer rechtsextremen noch einer linksradikalen Partei. Gleichwohl sei die Tat politisch motiviert gewesen. Der Mann habe Unzufriedenheit mit mehreren Entscheidungen Ficos als einen Beweggrund genannt, sagte Estok.
Auslöser des Angriffs sei zudem die Präsidentschaftswahl im Frühling gewesen, aus der Pellegrini - ein Gefolgsmann Ficos - als Sieger hervorging. Der Festgenommene habe außerdem jüngst an einer regierungskritischen Demonstration teilgenommen. Medienberichten zufolge hatte der 71-Jährige als Wachmann in einem Einkaufszentrum im Südwesten des Landes gearbeitet. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen eines Attentatsversuchs auf den Ministerpräsidenten eingeleitet.