Macron-Verbündete wiedergewählt "Das wird die Franzosen anwidern"
Nach drei Wahlgängen stand fest: Frankreichs bisherige Parlamentspräsidentin aus dem Macron-Lager ist auch die neue. Das erzürnt vor allem linke Abgeordnete - trotz des Wahlergebnisses ändere sich nichts, kritisieren sie.
Der mit 81 Jahren älteste Abgeordnete, José Gonzalez vom rechten Rassemblement National (RN), hat die konstituierende Sitzung geleitet und zu Beginn staatstragend erklärt, er wünsche sich in diesem Haus Toleranz und Respekt für jede Überzeugung. Fast sechs Stunden später sagt er: "Madame Yaël Braun-Pivet hat die meisten Stimmen erhalten. Ich rufe sie zur Präsidentin der Nationalversammlung aus."
Nach drei Wahlgängen stand fest: Die alte Parlamentschefin aus dem Präsidentenlager ist auch die neue. Sie bekam 220 Stimmen, nur 13 mehr als der Einheitskandidat der Neuen Volksfront, die die vorgezogenen Neuwahlen eigentlich gewonnen hatte. 17 Minister stimmten mit ab, die zwar ein Abgeordnetenmandat geholt haben, aber noch kommissarisch im Regierungsamt sind - juristisch ist dies in Frankreich umstritten.
Braun-Pivet deutet die Botschaft der Wähler mit hochrotem Kopf so:
Sie sagen: Beschäftigt Euch mit uns, mit unserer Kaufkraft, den Schulen, der Umwelt, mit unserer Sicherheit. Die neue Nationalversammlung hat eine große Verantwortung und wir haben keine Wahl: Wir müssen uns zuhören, kooperieren, Kompromisse finden, erneuern und einen Dialog führen, um voranzukommen."
Volksfront uneinig über Premierposten
Braun-Pivet hatte auch die Stimmen der Konservativen bekommen. Das prangert der sichtlich betroffene unterlegene Gegenkandidat des linksgrünen Bündnisses, der Kommunist André Chassaigne, an. "Sie haben mitgeholfen, dass sich nichts ändert. Dabei hat das Volk für einen Wechsel gestimmt", sagt er. "Das ist ekelerregend. Wir sind entschlossen, weiterzukämpfen, damit die gesetzgebende Macht nicht zum Übertragungsriemen für die Exekutive wird."
Die Volksfront reklamiert nun umso mehr den Posten des Premiers für sich, doch hier hat sie sich bislang auf keinen Namen einigen können.
Lange Gesichter: Clémentine Autain und Gabriel Attal sitzen nebeneinander im französischen Parlament.
Wut über Macrons "Spielchen"
Wie im Theater hatte die Parlamentsklingel die Abgeordneten ein ums andere Mal in den Saal gerufen. Bei der konstituierenden Versammlung sitzen die 577 Abgeordneten nicht nach Fraktionen, sondern nach Alphabet.
So war der kommissarische Premier Attal neben der links-grünen Aktivistin Autain platziert, die ihm erst den Rücken zudrehte, aber im Laufe des Wahlmarathons doch mit ihm plauderte.
Die Abgeordneten hatten Briefumschläge vor sich und Zettel mit je einem Namen der ursprünglich sechs antretenden Kandidaten. Die mussten sie in eine Urne auf der Parlamentstribüne werfen. Nach Losentscheid durften jene den Umschlag zuerst bringen, deren Nachnamen mit F begann, dann G und so weiter.
Nach jedem Wahlgang zogen Kandidaten zurück und die Stimmen verteilten sich neu. Welchen Posten bekommen die Konservativen als Königinnenmacher? Das fragen sich nun viele. Und aus dem links-grünen Lager heißt es: Macron spiele mit dem Feuer.
"Bei den Europa- und den Parlamentswahlen verlieren und dann den Parlamentsvorsitz übernehmen: Das wird die Franzosen anwidern", sagt der linke Abgeordnete Alexis Corbière und fordert: "Wenn die Institutionen das möglich machen, muss man sie verändern." Der Präsident könne "diese Spielchen machen, aber jedes Mal wird die Welle der Wut größer. Kann Macron einmal auf die Franzosen hören? Die wollen sein Lager nicht mehr", so Corbière.
Ein Pyrrhussieg, den der unterlegene RN-Kandidat Sébastien Chenu mit einem süffisanten Lächeln quittierte. 2027 stehen Präsidentenwahlen an - und die sind im Visier der Rechtsnationalen.