Frankreich Macrons neuer Anlauf zur Rentenreform
Frankreichs Regierung will über die geplante Rentenreform mit der Opposition und den Sozialpartnern verhandeln. Notfalls könnte sie aber auch allein entscheiden. Präsident Macron drohte dem Parlament bereits mit Neuwahlen.
Verhandeln statt Durchsetzen mit harter Hand. Diese Devise hat Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne ausgegeben für die Umsetzung der umstrittenen Rentenreform. Borne beauftragte Arbeitsminister Olivier Dussopt, in den kommenden Wochen Gespräche mit den Sozialpartnern und mit der Opposition zu führen: "Wir kennen die Positionen der unterschiedlichen Lager", so Dussopt. "Einige verweigern sich komplett. Sie sagen, das Rentensystem laufe gut."
Mit diesem Quatsch müsse endlich Schluss sein. Man müsse jetzt zusammenarbeiten: "Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wollten diskutieren. Und diesen Raum geben wir ihnen jetzt."
Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne während einer Rede auf dem Parteikongress im September 2022
Renteneinstiegsalter soll steigen - auf bis zu 65 Jahre
Die Rentenreform, die Präsident Emmanuel Macron und die Regierung jetzt wieder aufs Tapet gebracht haben, sieht unter anderem vor, das Renteneintrittsalter schrittweise von derzeit 62 auf 64 beziehungsweise 65 Jahre zu erhöhen.
Dagegen gibt es massiven Widerstand von Seiten der Gewerkschaften, allen voran der linken CGT. Trotzdem werde auch sie das Gesprächsangebot des Arbeitsministers wahrnehmen, sagt CGT-Chef Philippe Martinez: "Wir gehen hin, um unsere Position noch einmal deutlich zu machen. Sollte der Minister uns aber vor vollendete Tatsachen stellen, vor allem bei der Erhöhung des Rentenalters, dann werden wir auch schnell wieder weg sein." Und auf der Straße, um den Protest zu organisieren.
Nichts los am Gare du Nord in Paris: Wegen des Streiks im Bahnverkehr fuhr im Dezember 2019 kaum ein Zug.
2019 scheiterte die Rentenreform
Ähnlich lief es schon Ende 2019, Anfang 2020 ab. Auch damals führte die Regierung Gespräche mit allen Gewerkschaften, einig wurde man sich nicht. 55 Tage dauerten die Streiks, bis schließlich die Pandemie dafür sorgte, dass die Rentenreform auf Eis gelegt wurde.
Aber auch in der zweiten Amtszeit des französischen Präsidenten gilt die Reform weiter als Herzstück seiner Politik. Sie soll als Gesetzestext bis Ende des Winters durch das Parlament gebracht werden und im Sommer 2023 in Kraft treten.
Regierung kann auch allein entscheiden
"Das Rentensystem wird 2027 defizitär sein und zwar mit 12,5 Milliarden Euro pro Jahr", erklärt Arbeitsminister Dussopt. "Deswegen müssen wir es jetzt reformieren, damit auch unsere Kinder einmal eine Rente haben werden."
Sollte es keine Mehrheit im Parlament geben, könnte die Regierung die Reform auch ohne Abstimmung durchbringen. Artikel 49.3 der französischen Verfassung ermöglicht das, sofern die Opposition kein Misstrauensvotum initiiert. Für den Fall eines Misstrauensvotums droht Präsident Macron schon jetzt: Er werde die Nationalversammlung auflösen, richtete Arbeitsminister Dussopt aus:
Sollte sich die Opposition zusammenschließen und die Regierung stürzen, wird der Präsident die Französinnen und Franzosen an die Urnen bitten. Sie sollen dann entscheiden.
Zieht die Regierung tatsächlich Artikel 49.3, werden das links-grüne Parteienbündnis Nupes und der extrem rechte Rassemblement National ein Misstrauensvotum einleiten. Um die Regierung abzusetzen, braucht es allerdings auch die Stimmen der konservativen Les Republicains. Die tragen große Teile der Reform theoretisch mit. Der konservative Senatspräsident Gérard Lacher erklärte: "Wir sagen es schon lange, die Reform ist unumgänglich, aber es verlangt Mut, sie anzugehen. Nur mit einer Reform können wir unser Rentensystem retten."
Macrons Drohung an die Republikaner
Trotzdem steht seine Partei unter Druck. Sie muss sich nach den großen Wahlniederlagen bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wieder behaupten. Das heißt auch, nicht alles azubnicken, was die Regierung vorschlägt. Daher ist Macrons Drohung, die Nationalversammlung aufzulösen, klar an die Les Republicains gerichtet. Denn sie wären - zumindest Stand jetzt - wohl die größten Verlierer bei Neuwahlen.