Frankreich Erneute Streiks gegen Rentenreform
In Frankreich sorgen Proteste wegen der Rentenreform wiederholt für Stillstand im Alltag. Zahlreiche Busse, Bahnen und Unterrichtsstunden fielen aus. Beschäftigte eines Energiekonzerns drosselten sogar die Stromproduktion.
Einen Tag nach Beginn der Parlamentsdebatte über die Rentenreform haben Streiks erneut Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich lahmgelegt. Am dritten Protesttag binnen drei Wochen fielen zahlreiche Bahnen, Busse und Unterrichtsstunden aus. Die wichtigsten Gewerkschaften haben gemeinsam zu Demonstrationen aufgerufen.
Die Reformpläne sehen unter anderem vor, das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anzuheben - allerdings gehen längst nicht alle Menschen in Frankreich mit 62 Jahren in den Ruhestand. Abschlagsfrei wird die Rente erst, wenn lange genug eingezahlt wurde oder der Arbeitnehmer 67 Jahre alt wird.
Stromproduktion aus Protest gedrosselt
Aus Protest drosselten Beschäftigte des Energieunternehmens EDF in der Nacht die Stromproduktion um 4500 Megawatt, was in etwa der Produktion von vier Atomkraftwerken entspricht. Zu Stromausfällen kam es jedoch nicht.
An mehreren Gymnasien und Universitäten beteiligten sich auch junge Menschen an dem Protest. Im gesamten Land wurden mehr als 200 Demonstrationen angemeldet. Sicherheitskräfte rechneten mit etwa einer Million Menschen auf den Straßen. Landesweit sind 11.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, davon 4000 in Paris - auch, um möglicher Randale entgegenwirken zu können.
Zwei Drittel der Franzosen gegen Reform
"Man kann nicht dauerhaft gegen sein eigenes Land regieren", sagte der Chef der sozialistischen Partei PS, Olivier Faure, dem Sender LCI. Er verwies darauf, dass 93 Prozent der Berufstätigen die Reform ablehne. "Wenn ein Gesetzentwurf auf so starke Ablehnung stößt (...), dann gibt es ein Problem mit der Demokratie", erklärte Faure.
Laut der Nachrichtenagentur dpa sprachen sich knapp zwei Drittel der Französinnen und Franzosen in Umfragen gegen das Reformvorhaben aus. Vergangene Woche beteiligten sich an Streiks und Protesten nach Angaben des Innenministeriums 1,27 Millionen Menschen, laut Gewerkschaft CGT waren es 2,8 Millionen Beteiligte - mehr als beim ersten Aktionstag zwei Wochen vorher.
Gewerkschaftsführer Philippe Martinez kritisierte die Haltung von Präsident Emmanuel Macron: "Er will mit seinem großen Ego zeigen, dass er die Reform durchsetzen kann, ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung", sagte Martinez dem Sender RTL.
Arbeitsminister zeigt sich offen für Verbesserungen
Am Montag hatte die Debatte über die Rentenreform in der Nationalversammlung in aufgeheizter Stimmung begonnen. Arbeitsminister Olivier Dussopt hatte sie als notwendig für das "Überleben des Rentensystems" verteidigt. Er zeigte sich zugleich offen für Verbesserungen.
Die Reform umfasst auch eine Anhebung der Mindestrente auf 1200 Euro. Zudem soll die Beschäftigung von Senioren gefördert werden.