Prozess zum Nizza-Attentat Ein Kapitel bleibt noch offen
Zweimal 18 Jahre Haft, einmal zwölf Jahre - die Strafen für Helfer des Attentats von Nizza mit 86 Toten fallen hoch aus. Opfer-Anwälte zeigten sich mit den Urteilen zufrieden, doch einige Fragen bleiben unbeantwortet.
Als die fünf Richter das Urteil verkündeten, gab es spontan Beifall im Saal des Pariser Justizpalastes: Achtzehn Jahre Gefängnis für die zwei Hauptangeklagten - das war mehr als die vielen Vertreter von Opfern und Angehörigen erwartet hatten.
So auch Caroline Villani. Sie war überrascht und sehr bewegt: "Ich habe an dem Abend damals vier Personen verloren, darunter meinen Sohn. Und das hier ist für sie, damit das anerkannt wird, was da passiert ist. Und diesmal hat die menschliche Justiz ihre Rolle richtig gespielt, finde ich."
Angeklagte halfen beim Ausspähen
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass zwei der drei Hauptangeklagten den Täter nicht nur persönlich kannten, sondern sich auch der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht haben. Sie halfen dem Attentäter bei der Ausleihe des Lkw, machten Fotos mit dem 19-Tonner und fuhren die Todesstrecke an der Meeres-Promenade in Nizza mehrmals ab.
"Ich nehme dieses Urteil mit großer Zufriedenheit zur Kenntnis", sagte der Opfer-Anwalt Philippe Soussi. Das Gericht habe nicht gezögert, nahe an das Strafhöchstmaß der zwei Hauptangeklagten heranzugehen. "Wenn man sich die Furchtbarkeit des Verbrechens vor Augen führt, ist das absolut in Ordnung."
Richter sehen Bezug zur damaligen Terrorwelle
Die Staatsanwaltschaft hatte bei ihren Plädoyers nur 15 statt der jetzt verhängten 18 Jahre gefordert. Ausschlagend für die höhere Strafe der Richter war der klare Bezug zur damaligen Terrorwelle in Frankreich. Auch der erschossene Attentäter sei eindeutig terroristisch motiviert gewesen, so die Richter. Eine Verbindung zu dschihadistischen Organisationen wie dem "Islamischen Staat" IS habe dagegen nicht festgestellt werden können, obwohl der IS das Attentat für sich reklamiert hatte.
Ein dritter Hauptangeklagter wurde zu zwölf Jahren verurteilt. Er lieferte die Pistole, die der Attentäter noch aus dem Lkw gegen französische Polizisten einsetzte. Gegen fünf weitere Angeklagte gab es Gefängnisstrafen zwischen zwei und acht Jahren. Diese hatten den Täter nicht persönlich gekannt, aber sich des Waffenhandels schuldig gemacht.
"Das ist so ein Loch"
Für die meisten Opfer und Angehörigen wird mit diesem Urteil ein wichtiges persönliches Kapitel geschlossen. Rund 100 von ihnen waren zum Prozess in Paris angereist, andere konnten die Urteilsverkündung live vom Attentatsort in Nizza mitverfolgen. Vor Ort in Paris war auch Patrick Prigent. Er war am 14. Juli 2016 dem Lkw in Nizza nur knapp entronnen.
"Wir werden auch mit vielen Fragen hier wieder abreisen", sagte er. "Einige Antworten zu Tatsachen haben wir bekommen, andere nicht. Das ist so ein Loch, eine Leere, die wir hinterher spüren werden."
Kritik an der Sicherung der Feierlichkeiten
Ein Kapitel, das nach dem Urteil im Strafprozess noch offen bleibt, ist das der Sicherheitsmaßnahmen vor Ort. Immer wieder gab es Kritik an der Sicherung der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag damals in Nizza, nachdem vorher ja bereits die Terroranschläge auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und die Bataclan-Anschläge die französische Gesellschaft aufgewühlt hatten. Beton-Barrieren, die zuvor für die Fußball-EM in Nizza aufgebaut wurden, waren wieder entfernt worden.
Mit dem jetzt gesprochenen Urteil im Prozess zum Attentat von Nizza gilt die ganz große juristische Aufbereitung der Terrorjahre 2015 und 2016 in Frankreich nun aber als abgeschlossen.