Algenpest in der Bretagne Gefahr am Strand
An der bretonischen Küste wuchern gewaltige Algenteppiche. Wenn diese an Land gespült werden, entsteht Schwefelwasserstoff - eine Gefahr für Mensch und Tier. Schuld daran ist wohl auch die Landwirtschaft.
Mit Gasmaske bewaffnet stapft André Ollivro über den Strand von Hillion in der Bretagne. Über der Bucht liegt ein stechender Geruch nach faulen Eiern. Sand ist nicht mehr zu sehen. André sinkt mit jedem Schritt ein. Der ganze Strand ist mit einer dicken, beigefarbenen Schicht verkrustet.
Das Messgerät, das André an seinem linken Gummistiefel befestigt hat, piept. Er misst die Konzentration von giftigem Schwefelwasserstoff über dem Strand: 497 ppm (parts per million. Ein ppm ist ein Promille von einem Promille. Anm. d. Redaktion). Viel zu hoch. "Ab 25 ppm muss man weg, das ist zu gefährlich. Ich muss meine Maske tragen und darf nicht so lange bleiben, das sind schreckliche Bedingungen", erklärt er, während er wegstapft.
André Ollivro am Strand von Hillion. Wegen der hohen Konzentration von giftigem Schwefelwasserstoff trägt er eine Maske.
Durch Verrottung entstehen Gase
Unter der Kruste am Strand verbergen sich verrottende Grünalgen. "Wenn die frisch ankommen, sind sie wie Salat und nicht giftig. Aber wenn sie am Strand liegen und sich unter einer festen Kruste zersetzen, dann beginnt ein Prozess, in dem sich 20 Gase bilden", erklärt er. Verschiedene Todesfälle von Menschen und Tieren werden mit der Grünalge in Verbindung gebracht - auch an seinem Strand. "Wir hatten 36 tote Wildschweine, vorher sind zwei Hunde gestorben", erzählt er. Die Grünalge ist ein riesiges Problem in der Bretagne. Seit mehr als 20 Jahren kämpft André mit seinem Verein "Stopp der grünen Flut" dagegen.
Von der idyllischen Bucht bei Saint Brieuc in der Bretagne ist nur noch wenig übrig. "Als ich meine Hütte gebaut habe, dachte ich, dass ich als Rentner hier fischen und den Strand mit meinen Kindern und Enkelkindern genießen kann. Aber das kann ich vergessen", berichtet André. Jetzt ist der Strand gesperrt, wieder einmal. Es ist einfach zu gefährlich.
Das Problem: Exzessive Landwirtschaft
Die grünen Algen gab es hier schon immer, aber durch klimatische Veränderungen und eine hohe Nitratbelastung des Wassers sei die Menge geradezu explodiert, erzählt André: "Das hat damit zu tun, dass wir eine große Dichte an Mast-Betrieben für Schweine, Geflügel und andere Tiere haben." Durch die Flüsse gelangt Nitrat ins Meer - verursacht durch Tiermist und Dünger aus der intensiven Landwirtschaft in der Region. Das Nitrat ist eine Art Energieboost für die Algen. In den seichten Buchten wachsen sie wie verrückt.
Wirkungslose Anti-Algen-Pläne
Seit mehr als zehn Jahren wurden seitens der regionalen Politik verschiedene Anti-Algen-Pläne aufgelegt. Laut André eine gute Idee, aber: "Es wurde einfach nicht umgesetzt. Keiner wollte irgendetwas ändern. Denn dann wären die Landwirtschaft und die Bevölkerung nicht verschont geblieben." Zwar ist die Nitratbelastung in den Gewässern etwas gesunken, aber es reicht nicht, um die Algen zu bekämpfen. Das Nitrat ist zum Teil schon seit Jahren und Jahrzehnten im Boden.
Yann Yobé wollte das alles nicht mehr mitmachen. Sein Hof ist zehn Kilometer von der Bucht entfernt. Er hat seine Produktion komplett auf Bio umgestellt. Die Kühe fressen jetzt nur noch Gras und Heu. Kunstdünger ist tabu. Für seinen kleinen Hof war das einfach. "Wenn man zum Beispiel eine Schweinezucht auf Bio umstellen möchte, dann müssen die Ställe abgerissen werden. Das ist viel teurer als konventionelle Landwirtschaft", sagt er. Je größer ein Hof, desto größer die Verschmutzung, davon ist Yann überzeugt. Ohne finanzielle Anreize werde sich nicht viel ändern. "Man muss Landwirte entschädigen, die etwas ändern. Momentan passiert das aber nicht", so Yobé.
Mit einem Bonussystem gegen die Alge
In Saint-Michel-en-Grève versucht man genau das. Hier gab es vor 30 Jahren den ersten Todesfall, der mit Grünalgen in Verbindung gebracht wurde. Die Bucht war mit am stärksten von den Grünalgen betroffenen. Dann beschloss man vor Ort, sich selbst zu helfen.
François Ponchon ist inzwischen Bürgermeister. Er hat gemeinsam mit Landwirten in der Region ein Bonus-System entwickelt. Wer umstellt, bekommt Geld. Zwei Drittel der Bauern in der Gegend machen mit. "Das Futter soll zum Beispiel auf Heu umgestellt werden. Das entzieht dem Boden Stickstoff. So gelangt weniger Nitrat in die Flüsse - und dadurch gibt es hier am Strand weniger Algen", erklärt Ponchon. Geld kommt aus verschiedenen Quellen, zum Beispiel von der Region oder dem Département.
Am Strand von Saint-Michel-en-Grève müssen immer noch jeden Tag Algen weggeräumt werden. Die Situation ist aber viel besser geworden: Vor 10 Jahren waren es noch mehr als 20.000 Tonnen Grünalgen pro Jahr. Jetzt ist es weniger als die Hälfte. Inzwischen sind Surfer und Spaziergänger an den Strand zurückgekehrt.
Algen sind jetzt Chefsache
Der Strand bei André Ollivros Hütte in Hillion wird wegen der Grünalgen bis auf weiteres gesperrt bleiben. Dennoch gibt es für ihn einen kleinen Erfolg: Im März hat der französische Rechnungshof ein Gutachten erstellt, das nachweist, dass die regionalen Politiker nicht ausreichend gehandelt haben. Das Landwirtschaftsministerium hat die Grünalgen daraufhin zur Chefsache erklärt. André hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass seine Bucht irgendwann einmal algenfrei sein wird.