Gesetz soll verabschiedet werden Tag der Entscheidung in Georgien
Das georgische Parlament will heute das umstrittene "Ausländische Agenten"-Gesetz verabschieden - drei Tage früher als geplant und trotz wochenlanger Massenproteste. Und auch heute wird wieder demonstriert.
Georgiens Hauptstadt heute Morgen: Verregnet, Straßenverkehr, ein paar Jugendliche - die Ruhe vor dem Sturm? Am Vormittag wollen sich erneut Menschen rund ums Parlament in Tiflis versammeln. Ihr Ziel: Verhindern, dass die dritte Lesung des Gesetzentwurfes und die finale Abstimmung darüber erfolgreich sein werden. Gestern im Justizausschuss wurde der Entwurf nach nur einer Minute abgenickt.
So einfach wird es heute nicht. Den ganzen Tag über und wahrscheinlich bis zum frühen Abend werden Abgeordnete ihre Meinung zum Gesetzentwurf äußern können, erst danach sollen sie in der Plenarsitzung abstimmen. Bisher sieht es so aus, als käme das Gesetz durch, die parlamentarische Opposition ist klein, die Regierungspartei mächtig.
Zweifelhafte Aussagen des Regierungschefs
Das dürfte die außerparlamentarische Opposition anstacheln. Ob allerdings stimmt, was Regierungschef Irakli Kobakhidze behauptete, ist zweifelhaft: "Uns liegen eindeutige Informationen darüber vor, dass gewalttätige Gruppen junger Menschen, organisiert von radikalen Oppositionsparteien und finanziert von ausländischen Organisationen, heute und morgen aggressive Aktionen gegen das georgische Parlament und die Polizei geplant haben."
Die politische Führung Georgiens schiebt derzeit vieles aufs Ausland. Deshalb gibt es überhaupt das geplante Gesetz mit Namen "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme". Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten, sollen das fortan offenlegen - Transparenz oder Einfallstor für willkürliche Verunglimpfung?
Der Gründer und Ehrenvorsitzende der Regierungspartei "Georgischer Traum", der Milliardär Bidsina Iwanishwili, äußerte kürzlich unverblümt seine Meinung zu Nichtregierungsorganisationen: "Die Finanzierung von NGOs, die sich für uns als Hilfe darstellt, dient in Wirklichkeit dazu, fremde Geheimdienste zu stärken und an die Macht zu bringen. Dieses Geld hat nichts mit Hilfe zu tun, sondern ihr einziges Ziel ist der Verlust der georgischen Souveränität."
80 Prozent der Georgier wollen in die EU
Das klingt nach Worten, die so auch in Russland zu hören sind, weshalb viele Demonstrierende den Gesetzentwurf ablehnen - als ausländische Einflussnahme aus Moskau. Außerdem sehen viele Menschen in Georgien etwas gefährdet, was ihnen wichtig ist: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung wünschen sich, dass die EU Georgien aufnimmt. Vergangenen Dezember wurde dem Land der Status Beitrittskandidat zugesprochen.
Verschiedene EU-Politiker erklärten bereits, dass mit Gesetzen wie dem, das heute verabschiedet werden soll, Beitrittsverhandlungen unmöglich würden. So sieht es auch der Historiker und Literaturwissenschaftler Lasha Bakradse. "Ich glaube, mit dieser Regierung ist es nicht mehr möglich, über EU-Annährung zu sprechen. Die haben die Brücken, die nach Europa gingen, zerstört", sagt er. "Die haben gezeigt - obwohl sie das verbal noch nicht geäußert haben -, dass sie eine EU-Annährung nicht wollen. Ob unter Druck von Russland oder ohne ist das auch für alle Leute, die gezweifelt haben, sehr deutlich geworden in diesen Tagen."