Gérard Depardieu wird 75 Zwischen "Kultfigur" und "Monster"
Gérard Depardieu wird heute 75 Jahre alt. Er ist einer der bekanntesten französischen Schauspieler - und das nicht nur aufgrund seiner mehr als 200 Filme, sondern auch wegen zahlreicher Missbrauchsvorwürfe.
Um Gérard Depardieu ist ein Kulturkampf ausgebrochen: Das junge, progressive, politisch korrekte Frankreich gegen das alte Frankreich, das den Schauspieler als Sinnbild französischer Kultur und Einzigartigkeit versteht.
Zu letzteren gehört die 66-jährige Schauspielerin Carole Bouquet, die zehn Jahre lang mit Depardieu zusammen war. "Klar, er kann unflätig sein, hat einen außergewöhnlichen, manchmal grenzwertigen Humor", sagt sie. Sie kenne den Schauspieler in nüchternem und alkoholisiertem Zustand. "Ich kenne seine Dämonen. Aber Gérard ist außer Stande, einer Frau etwas anzutun. Die Justiz soll jetzt ihre Arbeit machen."
Auch die 50 Kunst- und Kulturschaffenden, die am Montag ein flammendes Pamphlet für Depardieu im "Figaro" veröffentlichten, benutzen dramatische Worte. Man könne dem "Lynchmord" an dieser "Kultfigur des Kinos" nicht länger zuschauen, schreiben die Verfasser - darunter Jacques Dutronc, Charlotte Rampling, Emmanuelle Seigner, Carla Bruni und Catherine Millet. Der Titel des Textes: "Löscht Gérard nicht aus!"
"Er hat sich selbst als Monster erschaffen"
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die sich aus der Deckung getraut haben und Depardieu vorwerfen, Frauen am Set über Jahrzehnte erniedrigt und missbraucht zu haben. 16 Frauen beschuldigen ihn der sexuellen Gewalt.
Allen voran Schauspielerin Charlotte Arnould, die Depardieu wegen Vergewaltigung angezeigt und ihre Erlebnisse in einer umstrittenen Dokumentation auf France 2 geschildert hat. "Er hat den Eindruck, er wäre allmächtig und könne ungestraft davonkommen", sagt sie. "Er hat sich selbst als Monster erschaffen, aber die anderen haben auch fleißig an diesem Monster mitgebaut."
Ignorieren und relativieren
Alle Frauen, die Depardieu kritisieren, machen die Filmbranche mitverantwortlich. Jahrelang hätten Regisseure, Produzenten und Kollegen - auch die weiblichen - weggeschaut, gelacht, Depardieu sogar angefeuert. Die häufigste Reaktion auf die Vorwürfe der Frauen sei gewesen: Habt euch nicht so! Und dann fällt der Satz: "C’est Gérard" - auf Deutsch "Das ist halt Gérard."
Wie derb, zudringlich und abfällig Depardieu über und mit Frauen reden kann, belegen Bilder aus der besagten Doku auf France 2. Sie stammen aus dem unveröffentlichten Material einer Drehreise, die Depardieu 2018 mit einem freien Regisseur unternommen hat. Darauf zu sehen: Gérard Depardieu, wie er unablässig die Frauen um sich herum drangsaliert.
"Mach mal ein Foto von uns, während ich ihren Arsch berühre!", sagt er in den Aufnahmen. "Ihre kleine Fotze ist sicher ganz pelzig, schön behaart, sie riecht schon nach Stute."
Mai 1996: Gérard Depardieu (rechts in der Mitte) wird vom damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac im Pariser Elysée-Palast mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet.
Nur ein Provokateur?
Depardieu, ein Sexist, ein Machtmensch, ein Vergewaltiger? Seine Anhänger erklären, Depardieu sei schlicht ein Provokateur. Er habe sich die Rolle des Grenzen überschreitenden Schwerenöters zugelegt, um sich interessant zu machen.
In der Tat hatte er schon immer den Hang dazu, seine Kindheit, die ihn zunächst zum Kleinkriminellen werden ließ, in grellen Farben auszuschmücken. Er behauptete wiederholt, er habe als Neunjähriger an Gruppenvergewaltigungen teilgenommen. Als diese Geschichte Anfang der 1990er-Jahre in den USA bekannt wurde, endete seine aufkeimende Karriere in Hollywood schnell.
Auch jetzt stellt sich die Frage: Kann man Depardieus Filme noch zeigen, weiter mit ihm drehen? Die Kulturministerin beteuerte, sie sei keine Anhängerin der Cancel Culture, fordert aber, dass ihm der Orden der Ehrenlegion aberkannt wird.
Macron verteidigt Depardieu
Dagegen argumentiert Präsident Emmanuel Macron, Depardieu mache Frankreich stolz. "Die Ehrenlegion ist ein Orden, der nicht dazu da ist, jemandem die Leviten zu lesen. Man wird doch jemandem nicht auf der Basis einer Reportage den Orden aberkennen", sagt er. "Ich werde mich an solchen Hetzjagden niemals beteiligen."
Depardieu - ein Monument des französischen Kinos, das die einen stürzen, die anderen unbedingt erhalten wollen. Aus dem Wachsfigurenkabinett in Paris wurde seine Kopie bereits entfernt. Die 50 Unterzeichner und Unterzeichnerinnen des Pamphlets schreiben: "Wir wollen und können nicht ohne ihn."