Deutschland appelliert an Russland Nicht länger "Hunger als Waffe einsetzen"
Die Bundesregierung hofft, dass Russland das Getreideabkommen fortsetzt. Der Ukraine-Krieg dürfe "nicht auf dem Rücken der Ärmsten dieses Planeten" ausgetragen werden. Minister Özdemir forderte, nicht länger "Hunger als Waffe" einzusetzen.
Deutschland hat Russland zur Verlängerung des Abkommens zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide aufgefordert. Die Bundesregierung appelliere "weiterhin an Russland (...), eine weitere Verlängerung des Getreideabkommens möglich zu machen und diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Ärmsten dieses Planeten auszutragen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin. Auch setze die Bundesregierung darauf, dass es künftig nicht nur Einigungen mit kurzen Fristen gebe, sondern langfristige Exportmöglichkeiten für Getreide und Düngemittel aus der Ukraine.
Der Kreml hatte das Getreideabkommen zuvor "de facto" für beendet erklärt. Russland werde das Abkommen "sofort" wieder aufleben lassen, sobald die Abmachungen gegenüber der russischen Seite eingehalten würden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau wenige Stunden vor Auslaufen des bestehenden Vertragswerks.
Das im Juli 2022 in Istanbul unterschriebene Abkommen wurde bereits zweimal verlängert; es ermöglicht der Ukraine, über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Im zurückliegenden Jahr wurden so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt. Moskau hatte bereits seit mehreren Wochen damit gedroht, das Abkommen auslaufen zu lassen. Die russische Seite beklagt die Beschränkungen für die Ausfuhr von Dünger und eigenen Agrarprodukten.
Özdemir: Putin "nimmt Ärmste in Geiselhaft"
Kritik an der russischen Haltung kommt auch von deutschen Kabinettsmitgliedern. Präsident Wladimir Putin nehme "die Ärmsten der Armen auf dieser Welt in Geiselhaft für seine grauenhafte Kriegstreiberei", erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. "Es muss ein Ende haben, dass Hunger als Waffe eingesetzt wird." Es sei damit zu rechnen gewesen, dass Putin das Abkommen "aufkündigt", so Özdemir. Deswegen seien "die alternativen Exportrouten und ihr Ausbau jetzt umso wichtiger, um ukrainisches Getreide über Schienen und Straßen zu europäischen Seehäfen zu bringen".
Schulze: "Unabhängiger machen von Putins Willkür"
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte in Berlin, es zeige sich einmal mehr, dass Putin "der Hunger auf der Welt und die Sorgen der Entwicklungsländer letztlich egal sind". Die Welt sei aber heute weniger verwundbar durch eine solche Blockade als noch vor einem Jahr, sagte sie.
Das ukrainische Getreide könne helfen, die Weltmarktpreise zu dämpfen und so den Hunger zu bekämpfen, so Schulze: "Für die Zukunft gilt: Wo Russland Weizen als Waffe einsetzen kann, wird es das tun." Die Lehre aus dieser Ungewissheit sei, "dass man sich unabhängiger machen muss von Putins Willkür". Das gelinge, wenn Entwicklungsländer wieder mehr selbst anbauen statt sich auf Weltmarkt-Weizen zu verlassen. Deutschland unterstütze diese seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dabei.
Erdogan kündigt Gespräche mit Putin an
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht derweil von einer Verlängerung des Abkommens aus. "Ich denke, dass der russische Präsident Putin trotz der heutigen Mitteilung für eine Fortsetzung dieser humanitären Brücke ist", sagte Erdogan vor Journalisten. Er kündigte Gespräche mit Putin an. Eine Verlängerung des Abkommens könne noch vor dem für August geplanten Besuch des russischen Präsidenten in der Türkei möglich sein, sagte er weiter. Verhandlungen diesbezüglich seien bereits im Gange.
Die Vereinbarung zur Ausfuhr ukrainischen Getreides hatte dazu beigetragen, die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die globale Nahrungsmittelversorgung abzumildern. Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt. Ein Großteil der auf Grundlage des Getreideabkommens exportierten Ware ging an ärmere Länder in Afrika und im Nahen Osten.