Syriza unter Kasselakis Griechenlands Linke zerlegt sich selbst
Der neue Syriza-Chef trat als Hoffnungsträger an. Doch dem Ex-Banker Kasselakis gelingt es nicht, die Partei zu einen. Nur zwei Monate nach seinem Antritt hat sie sich weiter aufgespalten.
Es rumort in Griechenlands linker Syriza-Partei. Der Paukenschlag kam am Donnerstag: Neun Abgeordnete erklärten ihren Austritt, unter ihnen Ex-Arbeitsministerin Effie Achtsioglou und Ex-Innenminister Alexis Xaritsis. Man gehe aus politischen, ideologischen und demokratischen Gründen, sagte Xaritis, ohne präziser zu werden.
Die Austritte treffen die Partei besonders hart. Sie verfügt nun noch über 36 im 300-Sitze-Parlament. Die Syriza liegt damit nur noch knapp vor der sozialdemokratischen PASOK - der Status als stärkste Oppositionskraft ist bedroht. Zuletzt hatten bereits zahlreiche andere Mitglieder die Syriza verlassen.
Syriza in Umfragen bei zehn Prozent
Die Partei, die zwischen 2015 und 2019 mit Premier Alexis Tsipras die Regierungsgeschäfte führte, fällt in den jüngsten Umfragen auf Werte um zehn Prozent zurück.
Dabei war die Hoffnung bei vielen Parteimitgliedern groß, dass der neue Parteichef Stefanos Kasselakis die Partei nach den für sie schlechten Parlamentswahlen wieder nach vorne bringen könnte - spätestens bis zu den Europawahlen im kommenden Jahr.
Der unbekannte Investmentbanker
Um die Austrittswelle bei Syriza zu verstehen, muss man zwei Monate zurückblicken. Ende September tourte ein bis dato weitgehend Unbekannter mit breitem Lächeln durch Griechenland und warb in den sozialen Medien für sich als neuen Parteivorsitzenden.
Stefanos Kasselakis ist 35 Jahre alt, lebte lange in den USA und wurde als Investmentbanker und Reeder laut griechischen Medien zum Millionär. Dann wurde er vom Ex-Syriza-Chef Tsipras als möglicher Nachfolger entdeckt. Kasselakis ist schwul, lebt in einer eingetragenen Partnerschaft und will per Leihmutterschaft ein Kind.
Ihm sei bewusst, dass er keine Parteierfahrung habe, gab Kasselakis in einem Youtube-Video offen zu. Dafür habe er eine menschliche Agenda und Erfahrung "im Beruf und im sozialen Leben". Kasselakis versprach Dinge, die im Einklang mit den Parteiwerten standen. Etwa eine bessere Gesundheitsversorgung und mehr Bildung für alle, oder weniger Privilegien für Politiker.
"Instrument für Kapital und Unternehmer"
56 Prozent der Mitglieder stimmten für Kasselakis als neuen Parteichef und nicht für die ehemalige Arbeitsministerin Achtsioglou. In ihm sehen sie die Chance, wieder zu alter Stärke zurückzufinden.
Ein anderer, fast ebenso großer Teil sagte, er sei politisch zu unerfahren. Seine Vergangenheit als Banker bei Goldman Sachs stieß vielen sauer auf. Kasselakis gab sich geläutert und sagte, er habe erlebt, wie sich Kapital billig Arbeit kaufe.
Doch dann wurden alte Zeitungskolumnen von ihm publik, in denen er etwa einen geringeren Mindestlohn forderte, damit Griechenlands Wirtschaft wettbewerbsfähiger würde. Syriza verwandle sich mit Kasselakis zu einem "Instrument für Kapital und Unternehmer", schreibt ein Teil der jetzt Ausgetretenen.
Ex-Arbeitsministerin Effie Achtsioglou unterlag Stefanos Kasselakis im Kampf um den Parteivorsitz und verließ nun die Syriza-Partei
Eine neue linke Partei?
Kasselakis' Sprecherin Dora Avyeri widerspricht. Sie wirft seinen Kritikern vor, keine inhaltlichen Argumente zu haben, sondern nur Kasselakis' Wahl zum Parteivorsitzenden nicht akzeptieren zu wollen.
Für viele sei es unbegreiflich, warum es nur zwei Monate nach der Wahl diese Austritte gebe, so Avyeri. Einige hätten vom ersten Tag an einfach die demokratische Entscheidung von Tausenden Syriza-Mitgliedern in Frage gestellt.
In einem Facebook-Beitrag schrieb Kasselakis: Hätte er gewusst, dass Achtsioglou und mit ihr viele andere gehen würden, wenn sie nicht Parteichefin würde, dann hätte er verzichtet. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Die Ausgetretenen werden wohl bald eine neue linke Partei gründen. Für die Syriza dürfte es weiter bergab gehen.