Streit um britisches Asylgesetz "Moralisch inakzeptabel und politisch unpraktikabel"
Ein neues britisches Gesetz soll die Abschiebung von Bootsflüchtlingen nach Ruanda ermöglichen. Doch im Oberhaus gibt es Widerstand. Unter anderem stellte sich nun der Erzbischof von Canterbury gegen das Gesetz.
Rishi Sunak hat es gerade gar nicht so leicht. Der britische Premier hat die Kommunalwahlen krachend verloren. Kurs halten ist die Devise, er will liefern und nennt bei nahezu jeder Gelegenheit die fünf Dinge, die die Konservativen umsetzen wollen: "Die Inflation halbieren, die Wirtschaft ankurbeln, die Schulden runter, die Wartezeiten im Gesundheitsdienst reduzieren und die Boote stoppen. Das verlangen die Menschen von uns."
Und weil die Inflation gar nicht so einfach in den Griff zu kriegen ist und die Wartelisten im Gesundheitsdienst auch eher länger als kürzer werden, ist der Druck groß, wenigstens bei der Asylpolitik einen Erfolg verbuchen zu können.
Die Regierung will die Boote stoppen, die über den Ärmelkanal nach England kommen. Wer hier ankommt, soll nach Ruanda abgeschoben werden - was bislang auch rechtlich schwierig war.
Erzbischof von Canterbury kritisiert geplantes Gesetz
Nun hat die Regierung ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Doch es gibt Widerstand, im Oberhaus. Dort hat der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, der ebenfalls im Oberhaus sitzt, klar Position bezogen.
Es sei moralisch inakzeptabel und politisch unpraktikabel, die ärmsten Länder im Umgang mit der Krise allein zu lassen. Der Erzbischof kündigte Änderungsvorschläge an. Ähnlich äußerten sich zahlreiche andere Abgeordnete des Oberhauses. Insgesamt hatten sich über 80 Mitglieder des Oberhauses zu Wort gemeldet.
Der Abgeordnete der Liberaldemokraten, Lord Brian Paddick, stellte die grundsätzliche Idee der Asylpolitik der Regierung infrage. Er bezweifelt, dass die Abschiebungen nach Ruanda abschreckend wirken: "Kann mir der Staatssekretär sagen, welche Belege das Ministerium dazu hat, welcher Teil des Gesetzes die Flüchtlinge abschreckt?" Er forderte die Regierung auf, Belege für die abschreckende Wirkung zu liefern.
Extrem rechte Innenministerin rührt die Werbetrommel
Innenministerin Suella Braverman schrieb in der "Times", die Abgeordneten des Oberhauses sollten ihre Kritik abwägen gegen den Willen des Volkes, die Grenzen dicht zu machen. Sie argumentierte, 2019 sei die Regierung dafür gewählt worden, habe im Regierungsprogramm verankert, die Kontrolle über die Grenzen wiederzugewinnen.
Braverman gehört dem extrem rechten Flügel der Konservativen an. Sie war in der Vergangenheit aufgefallen mit populistischen Äußerungen. Sie sprach von einer "Invasion" von Flüchtlingen. Dabei sind die Zahlen eher überschaubar, 2022 kamen weniger als 50.000 Menschen über den Ärmelkanal nach England. Zahlreiche Abgeordnete kritisieren vor allem, dass das Gesetz der Regierung handwerklich schlecht gemacht ist und internationalem Recht widerspricht.
Gesetz sieht Abschiebung binnen 28 Tage vor
Das Gesetzt sieht vor: Jeder, der im Vereinigten Königreich per Boot ankommt, soll innerhalb von 28 Tagen abgeschoben werden. Die Regierung hat Abkommen mit Albanien und Ruanda abgeschlossen. Ein britisches Gericht hatte die Abschiebepraxis erlaubt, doch Flüchtlingsorganisationen sind in Berufung gegangen. Flüchtlinge könnten sich auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, der bereits eine Abschiebung verhinderte.
Die Pläne der Regierung sehen unter anderem vor, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgesetzt werden kann. Im Oberhaus werden nun zahlreiche Änderungen eingebracht, bevor der Entwurf zurück ins Unterhaus geht.