Sunak und Selenskyj in London

Großbritannien und die Ukraine Erinnerung an eigenen Freiheitskampf

Stand: 26.02.2023 14:57 Uhr

Großbritannien lieferte nach Kriegsbeginn früher als andere Staaten Waffen an die Ukraine. Die Unterstützung aus London hat auch historische Gründe - und ist innenpolitisch nützlich.

Am 8. Februar sprach der ukrainische Präsident vor Abgeordneten des britischen Parlaments in der Westminster Hall. Ein Moment voller Symbolik, auch Pathos. Und ein Moment, in dem deutlich wurde, dass die engen Beziehungen zwischen Großbritannien und der Ukraine nicht nur mit finanzieller Zuwendung und Panzerlieferungen zu tun haben.

Dort erzählte Wolodymyr Selenskyj, dass er natürlich auch den Bunker besucht habe, von dem aus Winston Churchill im Zweiten Weltkrieg die Geschicke des Landes gelenkt habe. Ein Mitarbeiter des Museums habe ihm erlaubt, sich an Churchills Tisch zu setzen.

Dort, sagte Selenskyj, habe er dann auch etwas gespürt. Aber erst hier, vor den Abgeordneten, werde ihm klar, was er fühlte: "Das ist das Gefühl, wie Tapferkeit uns durch die schwersten Momente führt, um uns am Ende mit dem Sieg zu belohnen."  

Es sind drastische Worte, die für deutsche Ohren möglicherweise zu martialisch klingen mögen, die die Briten aber nachempfinden könne. Die Ukraine zu unterstützen, auch mit Waffen, ist im Vereinigten Königreich nahezu unumstritten. Es geht um den Freiheitskampf der Ukraine - so wie einst der Kampf der Briten gegen Nazi-Deutschland.  

Johnsons Versprechen

Die Nähe zwischen der ukrainischen Führung und der britischen Regierung hat mit den Persönlichkeiten an der Spitze und ihren Beziehungen zueinander zu tun.  

Boris Johnson und Selenskyj - die beiden verstanden sich offensichtlich sehr gut, auch menschlich. Johnson reiste früh nach Kiew, sprach als erster ausländischer Regierungschef zum ukrainischen Parlament.

Sein immer wieder formuliertes Versprechen: "Wie lange auch immer es dauern wird - das Vereinigte Königreich wird an der Seite der Ukraine stehen."  

Und Großbritannien stellte finanzielle Mittel bereit und lieferte schon früh Waffen, als andere Länder noch über Waffenlieferungen debattierten. Da konnte Selenskyj auch über die Tatsache hinweg blicken, dass die Sanktionen gegen russische Oligarchen, die Putin unterstützen und in London investiert haben, von der britischen Regierung nur zögerlich umgesetzt wurden.  

Sunaks Initiative

Großbritannien hat die Ukraine bis Mitte Januar mit Waffen und Hilfen im Wert von rund 8,3 Milliarden Euro unterstützt. Zum Vergleich: Deutschland lieferte Waffen und Hilfsgüter und leistete Unterstützungszahlungen im Gesamtwert von 6,2 Milliarden Euro, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft dokumentiert hat.  

Der Debatte um Panzerlieferungen gab die britische Regierung den letzten Schub, als der Premierminister Rishi Sunak ankündigte, 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger II zu liefern. Eine Zahl, die bald schon von deutschen Lieferungen deutlich überholt werden könnte, aber Großbritannien drängte auf den politischen Durchbruch.  

Der Nutzen ganz nebenbei

Die offensive Ukraine-Politik nutzte auch immer Johnson selbst - um von Skandalen abzulenken und die weltpolitische Bedeutung des Vereinigten Königreichs zu unterstreichen. Sunak, der neue Premier, führt diesen Kurs fort.

Er holte Selenskyj nach London, er verabredete den Deal mit dem ukrainischen Präsidenten, die Forderung der Ukraine nach Kampfflugzeugen mit der Ankündigung zu verknüpfen, dass die britische Armee nun ukrainische Piloten ausbildet.  

"Meine Botschaft hier ist, es dem Vereinigten Königreich gleich zu tun und die Hilfen für die Ukraine deutlich zu erhöhen", empfahl Sunak auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Es bleibt auch unter dem neuen Premier: Großbritannien sieht sich als enger Verbündeter der Ukraine und als Treiber im Lager der Alliierten.  

 

Christoph Prössl, Christoph Prössl, ARD London, 24.02.2023 13:25 Uhr

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 14. Januar 2023 um 14:30 Uhr.