"Ideenimport" Wie wird Deutschland queerfreundlicher?
Noch immer werden queere Menschen in Deutschland in etlichen Lebensbereichen diskriminiert. Norwegen und Frankreich stehen im Vergleich deutlich besser da - und können in vieler Hinsicht als Vorbild dienen.
Offen queer zu leben, ist in Deutschland noch immer keine Selbstverständlichkeit. Laut Bundesinnenministerium werden jeden Tag zwei queerfeindliche Übergriffe gemeldet. Im vor zwei Wochen veröffentlichten Ranking zur Queerfreundlichkeit in Europa liegt Deutschland auf Platz 15. In dem Ranking stagniert der Wert seit Jahren, Deutschland bleibt oberes Mittelmaß.
Begründung für Ranking Deutschlands
Der Rainbow Europe Index der Organisation ILGA vergleicht jedes Jahr 49 europäische Länder auf ihre Queerfreundlichkeit. Bewertungskriterien sind unter anderem die gesellschaftliche Akzeptanz, Ehe und Adoption für alle, Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie Strafbarkeit "homosexueller Handlungen".
Die Platzierung Deutschlands begründet die Studie unter anderem damit, dass es keine Gesetze gegen Hasskriminalität gegen LGBTIQ-Menschen gibt und dass die Gleichstellung in der Familienpolitik noch Defizite hat.
Verbot der Konversionstherapie in Frankreich
Frankreich und Norwegen liegen laut der Studie beide vor Deutschland. Unter anderem, weil beide Länder bereits Gesetze zur Bekämpfung von Hasskriminalität wegen Homophobie erlassen haben. In Frankreich ist zudem die sogenannte Konversionstherapie verboten, eine Pseudotherapie zur angeblichen Heilung von "homosexuellen Neigungen".
In Deutschland ist diese inzwischen zwar für Minderjährige verboten, aber nicht für Erwachsene. Warum Frankreich bereits Gesetze gegen Hasskriminalität und Konversionstherapie auf den Weg gebracht hat, wie diese Gesetze Vorbild für Deutschland sein können und welche Fehler nicht wiederholt werden sollten, erklärt die ARD-Korrespondentin in Frankreich Carolin Dylla.
Große Akzeptanz in Norwegen
In Norwegen ist der "Ideenimport" mit ARD-Korrespondentin Sofie Donges im Gespräch, denn das Land schneidet bei der familienpolitischen Gleichstellung deutlich besser ab als Deutschland.
Die Ehe für alle wurde dort fast zehn Jahre früher als in Deutschland erlaubt und die Akzeptanz für queeres Leben ist in der Gesellschaft mittlerweile deutlich größer. Und während in Deutschland Krankenkassen Paaren in einer gleichgeschlechtlichen Ehe keine medizinische Unterstützung bei der künstlichen Befruchtung finanzieren, sind homosexuelle verheiratete Paare in Norwegen heterosexuellen Ehepaaren bei der Finanzierung gleichgestellt.
Gesetze allein reichen nicht
Die deutsche Regierung plant verschiedene Gesetze, um die Situation für queere Menschen im Land zu verbessern, etwa durch einen effektiveren strafrechtlich Schutz vor Übergriffen oder durch eine Reform des Abstammungsrechts.
Auch, wenn dies von vielen LGBTQI-Organisationen als vielversprechende Veränderungen gewertet wird, zeigt der Blick nach Norwegen und Frankreich, dass Gesetze allein noch keinen umfassenden Wandel bringen. Für eine queerfreundliche Gesellschaft braucht es auch Aufklärung, Bildung, Sensibilisierung.
Ideensuche im tagesschau-Podcast
Für viele Fragen, die im Alltag immer wieder aufkommen, gibt es irgendwo auf der Welt garantiert schon gute Ideen, mögliche Vorbilder und Lösungsansätze: Wie besser mit stark steigenden Energiepreisen umgehen? Was tun, um sich gesünder zu ernähren? Warum leben Menschen in anderen Ländern teils länger?
Der Auslandspodcast der tagesschau sucht und findet sie - zusammen mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten in den 30 Auslandsstudios der ARD. "Ideenimport" will den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand weiten und mit frischen Ideen für neuen Input in politischen und gesellschaftlichen Debatten sorgen.
Ideenimport erscheint jeden zweiten Freitag. Sie können den Podcast jederzeit zu Hause oder unterwegs auf Ihrem Smartphone hören - jeden zweiten Freitagmorgen finden Sie eine neue Folge auf unserer Webseite, in der ARD-Audiothek und auf zahlreichen weiteren Podcast-Plattformen.
Anmerkung der Red.: In einer früheren Version des Beitrags hieß es, in Deutschland werde keine medizinische Unterstützung bei der künstlichen Befruchtung für Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen gewährt. Da diese Einschränkung nur Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen gilt, haben wir den Beitrag entsprechend korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen