Irlands Wohnungskrise Die Generation "stuck at home"
Aus dem Elternhaus ausziehen, eine eigene Wohnung mieten? Viele jüngere Menschen in Irland können sich das nicht leisten, selbst wenn sie berufstätig sind. Dabei geht es Irland wirtschaftlich gut.
Sadhbh Green steht in der Küche des Elternhauses und macht sich einen Tee. Die 24-Jährige sagt, sie fühle sich hier wohl, aber eigentlich wäre es längst Zeit, auszuziehen. Doch das geht nicht. Green verdient nach eigener Einschätzung zwar gut als Angestellte in Führungsposition in der Gastronomie, aber für ein eigenes Zuhause reiche es eben nicht.
Die Immobilienpreise in Irland gehen durch die Decke. Das sei "enttäuschend", sagt Green: "Da arbeitest du so viel, und nach Feierabend hast du nicht mal deine eigenen vier Wände."
Auch ihre beiden älteren Brüder wohnen noch zu Hause. Eine ganze Generation fühlt sich in Stich gelassen. "Meine Generation weiß nicht, was kommen wird", sagt Green, "ich habe so viele meiner Freunde verloren, nach Kanada, nach Australien, Barcelona, London. Die sind alle gegangen."
Und wer nicht weg ist, der wohnt noch zu Hause. Zwei Drittel aller 20- bis 29-Jährigen lebt noch bei den Eltern, hat eine Erhebung gerade erst ergeben. 2012 waren es noch ein Drittel. Es ist die Generation "stuck at home" - zu Hause stecken geblieben.
Wenig Geld für Wohnungsbau
Rory Hearne beschäftigt sich mit den Gründen. Er ist außerordentlicher Professor für Sozialpolitik. Er kritisiert, die Regierung stecke nicht genug öffentliches Geld in den Wohnungsbau, vor allem nicht in den Bau erschwinglicher Wohnungen.
Dabei, betont Hearne, erwirtschafte die irische Wirtschaft einen Haushaltsüberschuss: "Dem Land geht es eigentlich gut. Irland hat viele multinationale Konzerne mit niedrigen Steuersätzen angezogen."
Viel zu lange hat die konservative Regierung am Traum festgehalten, dass sich jeder ein Eigenheim leisten kann. Das eigene Haus, oder die eigene Wohnung war Teil der Altersvorsorge. Die Eigenheimquote bei den Älteren ist deutlich höher als beispielsweise in Deutschland.
Trügerische Hoffnung auf den privaten Sektor
Doch die Jüngeren können sich das immer seltener leisten, weil die Preise so gestiegen sind. Dazu geführt hat auch die Vorstellung, dass der Staat solche Probleme eher nicht lösen kann.
Die Regierung setzte vor allem auf private Investoren, die Bauprojekte hochziehen sollten, um dann zu vermieten. Die Idee war, dass der Markt helfen würde, das Problem zu lösen, erklärt Hearne.
Doch am Markt gibt es meist teure Wohnungen, die Feuerwehrleute, Krankenschwestern und Polizisten sich kaum mehr leisten können. Hearne möchte nun in die Politik. Er kandidiert bei den Europawahlen für die Sozialdemokraten.
Die Wähler wenden sich ab
Gerade erst musste der Ministerpräsident der Partei Fine Gael zurücktreten - aus persönlichen, aber auch politischen Gründen. Die Umfragewerte der liberal-konservativen Partei fielen immer weiter. Der neue Premier Simon Harris hat nun nur wenige Monate, das Ruder rumzureißen. Wahrscheinlich wird noch in diesem Jahr gewählt.
In den Meinungsumfragen vorne liegt Sinn Fein. Die Partei, die sich für die Vereinigung der Republik Irland mit Nordirland einsetzt, setzt auf eine starke Sozialpolitik und wird vor allem von jüngeren Iren gewählt.
Premier Harris hat sofort nach Amtsantritt versprochen, bis 2030 250.000 Wohnungen zu bauen. Das glauben ihm viele nicht, denn Fine Gael ist seit 2011 an der Macht.
Viele Wohnungen stehen leer
Für die hohen Preise gibt es noch weitere Gründe - einer ist der Leerstand: Manche Eigentümer spekulieren mit ihren Immobilien. Offizielle Register darüber, wie viele Häuser betroffen sind, gibt es nicht. Hearne schätzt, dass in Dublin 12.000 Immobilien leer stehen, landesweit 166.000.
Parteien wie Sinn Fein fordern, dass Eigentümer, die Immobilien leer stehen lassen, mit einer Abgabe oder Steuer dazu gezwungen werden sollen, schnell zu investieren oder zu vermieten.
Wenig Rechte für Mieter
Auch die nicht vorhandenen Rechte für Mieter verschärfen die Wohnungskrise. Madeleine Johannson hat viele Jahre in Dublin gewohnt, jetzt muss sie aus der Wohnung raus, weil der Eigentümer verkaufen will. Mieterschutz: Fehlanzeige.
Johannson erzählt, dass sie bei ihrer Suche Wohnungen sehe, die "um die 1800 Euro monatlich" kosten würden. Das aber sei ihr ganzes Gehalt. "Das ist Wucher", beschwert sich Johannson. Wer wenig verdient, könne in Dublin nicht mehr leben, befürchtet sie.
In der Hauptstadt sind die Preise besonders hoch, doch betroffen ist das ganze Land. Es ist eine absurde Situation: Die Arbeitslosigkeit in Irland ist niedrig, die Wirtschaft floriert, doch der Wohlstand geht an einem großen Teil der Gesellschaft vorbei.