Mord an Richter Falcone Der Anschlag, der Italien veränderte
Heute vor 30 Jahren wurde der Mafia-Jäger Giovanni Falcone auf Sizilien mit einer Bombe getötet. Das Attentat hat sich fest in das nationale Gedächtnis Italiens eingebrannt.
Wie durch ein Wunder hat Giuseppe Costanza das Attentat überlebt. "Sie haben mich ohnmächtig auf dem Rücksitz gefunden. Sie dachten, dass ich es auch nicht schaffen werde. Sie hatten schon den Sarg für mich vorbereitet. Doch dann bin ich aufgewacht." Der Fahrer von Giovanni Falcone ist gerade auf dem Weg vom Flughafen Palermo nach Capaci, so wie vor 30 Jahren.
Damals saß er ausnahmsweise hinten, Richter Falcone fuhr selbst. Die Mafia hatte die Bombe in einem Abflussrohr unterhalb der Straße deponiert und gegen 18 Uhr ferngezündet. 500 Kilogramm TNT-Sprengstoff rissen einen riesigen Krater in den Asphalt, die Autobahn wurde weggesprengt. Neben Falcone starben seine Frau und drei Leibwächter. Die sizilianische Cosa Nostra hatte zugeschlagen.
Vielerorts kam es zu Protesten
Für Costanza war nach dem 23. Mai nichts mehr wie vorher. So wie in seiner Heimat Sizilien. Vor dem Wohnhaus Falcones in Palermo versammelten sich die Menschen und hängten Fotos, Zeichnungen und Friedenbotschaften an einen Feigenbaum. Vielerorts kam es zu Protesten, die Menschen reagierten, wurden aktiv.
Zuvor, so erinnert sich der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, sei das anders gewesen. In den 1970er und 1980 er Jahren habe es nicht nur die Mafia gegeben. "Die Mafia hatte das Gesicht von korrupten Bischöfen, von mafiösen Ministern, sie hatte das Gesicht von Menschen, die nicht sprachen, nichts hörten und nichts sahen und die zu Verbündeten der Mafia wurden, weil sie auf ihre Freiheit und ihre Würde verzichteten."
Ein zweiter Mord wenige Wochen später
Falcone hatte sich davon nicht abbringen lassen, Hunderte Mafiosi brachte er auf die Anklagebank. Beim sogenannten Maxi-Prozess ab Mitte der 1980er-Jahre arbeitete er als Untersuchungsrichter akribisch und unbeirrt. Zahlreiche Kriminelle wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Er arbeitete Hand in Hand mit seinem Freund aus Kindertagen, dem Richter Paolo Borsellino. Auch er wurde von der sizilianischen Mafia ermordet, einige Wochen nach Falcone.
Während der Ermittlungen hatte Falcone viel mit Polizeikräften der USA zu tun, erzählt der oberste Mafiajäger Italiens, Maurizio Vallone, der die Anti-Mafia-Behörde DIA leitet. Ausgehend von dieser amerikanischen Erfahrung verstand Falcone, dass man die Arbeit zentralisieren und das neue Modell auf die internationale Ebene heben müsse, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Damit wurde der Grundstein gelegt für die "Direzione Investigative Antimafia", gemeinsam mit den speziellen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaften.
"Folge dem Geld"
Durch das Attentat auf den Staatsdiener Falcone wird der Kampf gegen die Mafia nun zur nationalen Aufgabe, das ganze Land wirkt wie aus einer Lethargie gerissen. Bürgermeister Orlando, der wegen seines Kampfes gegen die Mafia selbst unter Polizeischutz steht, glaubt, dass es 1992 den Übergang gegeben habe vom isolierten Kampf einiger Staatsanwälte, einiger Kirchenmänner, einiger Politiker und einiger Geschäftsleute hin zu einem Kampf des Volkes.
Italien verabschiedete harte Anti-Mafia-Gesetze, mit denen Bosse und Mitglieder der sizilianischen Cosa Nostra, der kalabrischen N´drangheta oder der neapolitanischen Camorra dingfest gemacht wurden. Nach der Devise Falcones - "Folge dem Geld" - rekonstruieren die Ermittler Ursprung und Ziel von Geldströmen und decken Geldwäsche auf.
Mafia im Metaversum
Aber auch das organisierte Verbrechen ist modern geworden. Die N´drangheta, die mächtigste Organisation, bezahle schon seit mehr als 15 Jahren im Drogenhandel mit Bitcoin und anderen elektronischen Währungen, so DIA-Direktor Vallone. "Heute ist die Mafia eher im Metaversum präsent als in den dunklen Netzwelten, die teilweise noch unbekannt sind.
Die Herausforderung bestehe also darin, den Akteuren auf internationaler Ebene angesichts dieser High-Tech-Themen gerecht zu werden. "Denn sie ermöglichen es den Gangstern, miteinander zu kommunizieren, Geldbeträge hin und herzuschieben und große Geldbeträge zu waschen, die aus dem illegalen Handel stammen, vor allem dem Drogenhandel."
"Die Mafia ist nicht unbesiegbar"
Im Metaversum, das auf digitale Art eine Realität erschafft, fühlen sich die Mafiosi zuhause. Sie haben, so Vallone, an den wichtigsten Universitäten der Welt wie etwa dem MIT bei Boston oder in London ihren Abschluss gemacht. Nun könnte man beispielsweise ein virtuelles Kasino in der virtuellen Welt einrichten und elektronisches Geld verdienen.
Die Mafia benutzt auch NFTs - also Non-Fungible Tokens. Diese sind einmalig und unveränderbar und werden auf der Blockchain gespeichert. Damit könne Geld verschoben werden, ohne dass man es sofort nachverfolgen könne. Mafiajäger Vallone ist dennoch zuversichtlich, er erinnert an das, was Falcone stets sagte. "Die Mafia ist nicht unbesiegbar, sie ist ein menschlicher Faktor. Und wie alle menschlichen Dinge hat sie einen Anfang und sie wird auch ein Ende haben."
30 Jahre nach Falcones Tod zeigen sich seine Nachfolger wie Vallone davon überzeugt, dass es ein Ende der Mafia geben wird. Die Frage allerdings sei, wie schnell das passieren wird.