Eva Kaili
FAQ

EU-Korruptionsskandal Kaili und Katar - was bislang bekannt ist

Stand: 12.12.2022 11:23 Uhr

Haufenweise Bargeld, vier Personen in U-Haft, Vorwürfe in Richtung Katar: Manche Bestandteile der Korruptionsaffäre rund um EU-Parlamentsvize Kaili sind klar - vieles aber noch nicht. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Am Freitagabend kamen die ersten Meldungen: Die belgische Polizei hatte die griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, und fünf weitere Personen festgenommen. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter laut Medienberichten auch Kaili selbst. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie versuchte Einflussnahme aus dem Ausland vor. Justizkreisen zufolge konnte Kaili ihrer Festnahme trotz parlamentarischer Immunität nicht entgehen, da sie auf frischer Tat ertappt worden sei, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.

Bei den 16 Durchsuchungen in Brüssel wurden am Freitag unter anderem insgesamt 600.000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Später fanden Ermittler in Kailis Wohnung Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld.

Die maltesische Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entband Kaili am Wochenende von ihren Aufgaben. Auch die sozialdemokratische Fraktion suspendierte ihre Mitgliedschaft. Kailis sozialistische PASOK-Partei hatte sie schon am Freitag ausgeschlossen. Die griechischen Behörden wiederum froren alle Vermögenswerte Kailis ein. Die Maßnahme gelte auch für ihre Angehörige, erklärte die Anti-Geldwäsche-Behörde.

"Wir brauchen hier nochmal besonders strengere Regeln", Timo Lange, Initiative "LobbyControl", zum Korruptionsverdacht in Brüssel

tagesschau24 14:00 Uhr

Welche Rolle spielt Katar?

Seit mehreren Monaten verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, "die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen". Dazu sollen hohe Geldsummen gezahlt oder teure Geschenke an Entscheidungsträger im Parlament gemacht worden sein. Aus Ermittlerkreisen wurde der Nachrichtenagentur dpa bestätigt, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handelt.

Kaili war Teil der Delegation, die die EU-Beziehungen zur arabischen Halbinsel ausbauen sollte. Deshalb reiste sie kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft nach Katar.

Im November fiel sie dann auf, als das Parlament über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte. Sie bezeichnete das Land dabei als Vorreiter in Sachen Arbeitsrecht: Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.

Als der Innenausschuss Anfang Dezember über erleichterte Visa-Regeln für Katar und andere Länder abstimmte, beteiligte sich auch Kaili, obwohl sie selbst kein Mitglied im Ausschuss ist - zur Überraschung der eigenen Fraktion. Nach Parlamentsregeln ist es zwar möglich, dass Abgeordnete bei Abstimmungen auch durch Nichtmitglieder ersetzt werden. SPD-Parlamentsvize Katarina Barley sagte dem ZDF jedoch: "Sie hat sich ganz nach hinten gesetzt, wo normalerweise nur Mitarbeitende sitzen - weit weg von unserer Fraktion. Man könnte auch sagen: Sie hat sich versteckt."

Was sagt Katar?

Das Land weist die Vorwürfe scharf zurück: "Jede Verbindung der katarischen Regierung mit den berichteten Vorwürfen ist grundlos und gravierend uninformiert", erklärte das Außenministerium. Katar operiere nach den gültigen internationalen Gesetzen und Regeln.

Der aktuelle WM-Gastgeber Katar steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Viele Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM dorthin vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat auch hier den Vorwurf der Bestechung stets bestritten.

Eva Kaili und Katars Arbeitsminister Ali bin Smaikh Al Marri im Oktober 2022

Im Oktober traf sich Kaili in Katar mit dem dortigen Arbeitsminister. Anlass war der Besuch einer Delegation aus Brüssel in dem Emirat.

Wer ist Kaili?

Die 44-jährige Sozialdemokratin studierte erst Architektur, später Europäische Angelegenheiten und war dann Moderatorin beim griechischen Sender MEGA TV. Von 2007 bis 2012 saß sie im griechischen Parlament, anschließend arbeitete sie als PR-Beraterin. Seit 2014 ist sie Mitglied des EU-Parlaments und seit einem Jahr eine von 14 Stellvertreterinnen und Stellvertretern von EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.

Bestechung und Geldwäsche: Weitere Durchsuchungen in Brüssel nach Festnahme von EU-Vizeparlamentspräsidentin Kaili

Tobias Reckmann, ARD Brüssel, tagesthemen, tagesthemen, 12.12.2022 22:05 Uhr

Um wen geht es außerdem?

Nicht über alle Verdächtigen ist öffentlich etwas bekannt. Klar ist aber, dass ihr Lebensgefährte, der Italiener Francesco Giorgi - ein ehemaliger parlamentarischer Assistent und Spezialist für Menschenrechtsfragen und auswärtige Angelegenheiten - ebenfalls festgenommen wurde. Die beiden haben eine zweijährige Tochter.

Neben Giorgi wurde auch der italienische Ex-Europaparlamentarier Antonio Panzeri festgenommen. Er ist Gründer der Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, die eigenen Angaben zufolge weltweit für Menschenrechte und gegen Korruption kämpft. In Italien kamen seine Ehefrau und Tochter in Hausarrest. Nach Angaben der Zeitung "Le Soir" und des Magazins "Knack" kamen Giorgi und Panzeri in U-Haft.

Am Samstagabend wurde auch das Haus eines weiteren Europaabgeordneten durchsucht. Medienberichten zufolge handelt es sich um den belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Seine Partei zitierte ihn vor ein parteiinternes Gremium. Tarabella sagte der belgischen Nachrichtenagentur Belga: "Ich habe absolut nichts zu verbergen und werde alle Fragen beantworten." Die Justiz mache nur ihre Arbeit, was er völlig normal finde. Tarabella ist stellvertretender Vorsitzender der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zur arabischen Halbinsel. Ihm werden keine Straftaten zur Last gelegt.

Wie geht es weiter?

Noch ist Kaili im Prinzip im Amt - das Parlament muss ihre Suspendierung formell bestätigen. Vizepräsidentin Katarina Barley sagte Reuters, die sozialdemokratische Fraktion werde Kailis Abwahl als Parlamentsvizepräsidentin beantragen.

In Sachen Visa-Liberalisierung könnte der Skandal auch für Katar zum Problem werden. Am Ja des Innenausschusses aus dem November gibt es nun Kritik. "Wenn das EP möglicherweise mit Geld von Kräften aus dem Ausland beeinflusst wurde, muss man das Verfahren im Parlament erst einmal stoppen", forderte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe bei der EVP-Fraktion, Daniel Caspary. In dieser Situation könne es natürlich keine Liberalisierung geben, schrieb auch der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt. "Die geplante Abstimmung darüber wird entweder in den Innenausschuss zurücküberwiesen, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen oder wir stimmen als Parlament gegen die Visa-Liberalisierung."

Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke forderte zudem Änderungen der Transparenzregeln für das EU-Parlament. Im Lobbyregister müssten Vertreter aus Drittländern wie Katar aufgenommen werden, sagte sie zu Reuters. SPD-Politikerin Barley betonte dagegen, dass die Regeln schon sehr weitgehend seien.

Parlamentarierreisen an den Golf wird es jedenfalls vorerst nicht mehr geben: Ein Parlamentssprecher bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass eine für Ende Dezember geplante Katar-Reise von Europaabgeordneten "wegen der derzeitigen Umstände" abgesagt werde.

Birgit Raddatz, Birgit Raddatz, ARD Brüssel, 11.12.2022 23:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Dezember 2022 um 20:00 Uhr.