Vorstoß von Macron Autonomie auf Korsisch
Es könnte eine Zäsur sein: Frankreichs Präsident Macron hat der Insel Korsika mehr Eigenständigkeit in Aussicht gestellt. Viele Korsen bleiben jedoch skeptisch. Das Verhältnis zum Festland gilt als schwer belastet.
Auf diesen Moment haben die Korsen lange gewartet: "Lasst uns den Mut haben, eine Autonomie à la Corse zu schaffen, innerhalb der Republik." Über 15 Minuten hatte Präsident Emmanuel Macron schon im Parlament in Ajaccio gesprochen, als endlich das ersehnte Wort über seine Lippen kam: Autonomie.
"Um Korsika richtig in Frankreich zu verankern, seine Einzigartigkeit anzuerkennen und seine Besonderheit als mediterrane Insel, müssen wir Korsika in unserer Verfassung festschreiben", so Macron.
Autonomie ja, korsisch als zweite offizielle Amtssprache nein. Auch dem Wunsch, der korsischen Bevölkerung auf der Insel einen Vorrang vor Festlandfranzosen einzuräumen, erteilt der Präsident eine Absage. Aber am Ende bekommt er langen, wohlwollenden Applaus von fast allen Abgeordneten.
Anhänger des französischen Zentralstaates stehen ebenso auf wie die mehrheitlich vertretenen moderaten Nationalisten, die schon lange für die Selbstbestimmung kämpfen. Ein historischer Tag? Eine echte Zäsur in dem schwer belasteten Verhältnis zwischen Frankreich und Korsika?
Korsika mit seiner Hauptstadt Ajaccio liegt südlich vom französischen Festland.
"Wir können Partner werden"
Pierre Alain Nebbia kann es noch nicht so ganz glauben. Der bullige Mann mit den kurz geschorenen grauen Haaren gestikuliert in den Rückspiegel seines Taxis und erklärt: "Wenn uns Frankreich jetzt wirklich die Hand reicht, uns vertraut und wir ihnen, wenn der Staat mit uns alle Probleme der Insel bekämpft, die steigenden Immobilienpreise zum Beispiel, und nicht immer nur den korsischen Nationalismus verteufelt, dann könnten wir Partner werden."
Nebbia ist nicht nur Taxifahrer und korsischer Nationalist, sondern auch Bürgermeister in dem kleinen Örtchen Lopigna in den Bergen. Meint es Paris diesmal wirklich ernst mit den Zugeständnissen? "Wir haben immer nur dann etwas erreicht, wenn wir Gewalt angewendet haben", sagt er. "Was soll man daraus folgern?"
Zugeständnisse nach Ausschreitungen
In der Tat hat sich die Regierung nur deshalb bewegt, weil es im März vergangenen Jahres Demonstrationen, Randale und brennende Autos auf der Insel gegeben hat. Tausende Menschen gingen damals auf die Straße, weil Yvan Colonna, ein früherer Unabhängigkeitskämpfer, der wegen Mordes eine lebenslängliche Haftstrafe absaß, im Gefängnis von einem anderen Insassen umgebracht worden war. Es kursierten Verschwörungstheorien, der Staat stecke hinter dem Tod Colonnas.
Viele Korsen hat der Tod ihres Helden schwer getroffen, erzählt Pierre, der in der Bar Le Valinco hinterm Tresen steht. Er habe immer an seine Unschuld geglaubt und glaube auch heute noch daran. "Für mich war Colonna unschuldig. Ich kannte ihn, als ich Kind war, er war ja Erzieher. Alles, was meine Landsleute hier nach seinem Tod getan haben, ich kann es zu 100 Prozent verstehen", sagt Pierre.
Angesichts der Ausschreitungen lenkte Paris ein, machte Zugeständnisse, eröffnete einen beispiellosen Verhandlungsprozess, an dessen vorläufigem Ende Macrons gestrige Rede steht.
"Das sind jetzt erst einmal nur Worte"
Doch viele Korsen bleiben skeptisch. So auch Brigitte, die rundliche Mittvierzigerin sitzt mit ihren Freundinnen im Café Albert Premier in Bastia. Hierhin ist der Präsident nach seinem Auftritt in Ajaccio geeilt. Brigitte hat seine Rede morgens im Radio verfolgt. "Das sind jetzt ja erst einmal nur Worte. Und Worte gab es schon viele. Wir haben hier so viele Probleme, weil wir eine Insel sind", sagt sie. Der Transport, der Müll, die Gesundheit. Jeden Tag müssten Kranke aufs Festland geflogen werden.
Die Probleme sind vielfältig und der Weg zur Selbstbestimmung noch steinig. Denn in Paris muss Macron beide Parlamentskammern von der Autonomie für Korsika überzeugen. Im Frühjahr will er ihnen einen Text vorlegen.
Sie habe Hoffnung, dass es klappt, sagt Brigitte. Den Präsidenten, der direkt gegenüber auf dem großen Platz die Menge begrüßt, würdigt sie aber keines Blickes.