Vor Bekanntgabe in Stockholm Welche Autoren für den Nobelpreis gehandelt werden
Heute wird verkündet, wer den Literaturnobelpreis bekommt. Auf Wettlisten kursieren bekannte wie auch unbekannte Namen. Aus der Akademie selbst dringt aber weniger nach außen als früher.
Von Julia Wäschenbach, ARD-Studio Stockholm
Was haben Bob Dylan und Winston Churchill gemeinsam? Beide haben den Nobelpreis für Literatur bekommen. Und bei beiden war die Überraschung riesig. Im vergangenen Jahr war das anders. Da hatte mit der französischen Schriftstellerin Annie Ernaux eine Favoritin die Nase vorn. Nur sie selbst war völlig verblüfft. Auf den Anruf der Nobeljury reagierte sie erst gar nicht, ließ morgens das Telefon klingeln. Schließlich habe sie gearbeitet, sagt sie.
"Ich war sehr überrascht. Ich habe den Nobelpreis nie angestrebt. Das ist für mich eine große Ehre und auch eine große Verantwortung!", so die heute 83-Jährige.
Ernaux ist eine von nur 17 Frauen, die den prestigeträchtigen Preis bislang bekommen haben - von 119 Preisträgerinnen und Preisträgern insgesamt. Wer diesmal das Rennen machen könnte, darauf spekulieren nicht nur Literaturkenner, sondern auch Tipper bei Wettanbietern im Netz. Demnach hat der Norweger Jon Fosse sehr gute Chancen auf den Preis.
Wettanbieter spekulieren auf Autorin
In der Vergangenheit lagen die Tipper nicht immer falsch, sagt Kulturreporter Mattias Berg vom schwedischen Radio. "In einigen Jahren war es ziemlich deutlich, dass es ein Leck in der Akademie gab, das in die Wettwelt übergeschwappt ist", sagt er. Da haben dann auch Leute mitgetippt, die mit dem Thema sehr vertraut waren. Aber in den letzten Jahren ist die Akademie viel besser darin geworden, diese Lecks zu stopfen."
Wenn man den Wettanbietern glaubt, könnte dieses Jahr nach Ernaux aber auch zum zweiten Mal in Folge eine Frau das Rennen machen. Weit oben auf deren Liste steht die chinesische Schriftstellerin, die unter dem Pseudonym Can Xue schreibt. Eine Wahl, die NDR-Literaturexperte Jan Ehlert begrüßen würde.
"Nachdem der Preis im vergangenen Jahr nach Europa ging, würde ich mich freuen, wenn diesmal wieder eine Autorin oder ein Autor von einem anderen Kontinent ausgezeichnet wird", so Ehlert. Damit würde gezeigt "wie vielstimmig, wie großartig die Weltliteratur sein kann."
Ewige Favoriten: Atwood, Rushdie, Murakami
Zu den ewigen Favoriten gehören Haruki Murakami, Salman Rushdie und Margaret Atwood. Alles allerdings Autoren, die in Deutschland sehr bekannt sind, meint Ehlert. Das Nobelpreis-Komitee habe in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es immer für eine Überraschung gut sei.
Mit Annie Ernaux sei zuletzt "eine sehr erfolgreiche, aber auch umstrittene Autorin" ausgezeichnet worden. Ehlert tippt eher darauf, dass die Wahl diesmal auf jemanden fällt, "der bei uns weniger bekannt ist, zum Beispiel die Griechin Ersi Sotiropoulos oder den Australier Gerald Murnane. Alle beide werden ziemlich hoch gehandelt."
Auswirkungen auf den Buchhandel
Ob bei Kennern, Wettanbietern oder Leseratten: Kaum eine Auszeichnung zieht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie der Nobelpreis. Das liegt auch daran, dass wir alle etwas damit anfangen können, meint Erika Lanner, Direktorin des Nobelmuseums in Stockholm.
Literatur sei "für uns alle zugänglich und viele teilen die Liebe zur Literatur". Jeder könne ein Buch von einem Nobelpreisträger lesen, "und das berührt uns auf eine ganz unmittelbare Weise". Deshalb erreiche dieser Preis so viele Menschen.
Der Nobelpreis macht Lust aufs Lesen. In den Buchhandlungen werden die Bücher des neuen Preisträgers oder der Preisträgerin plötzlich wieder besonders gefragt sein. Deshalb fiebern auch Verleger und Buchhändler mit, wenn die Schwedische Akademie heute ihre Entscheidung verkündet.