"Partygate"-Affäre Stunde der Wahrheit für Premier Johnson
Der britische Premier hat schon einige Skandale überstanden, aber jetzt rebelliert sogar seine eigene Partei: Am Abend muss sich Johnson einem Misstrauensvotum stellen. Hintergrund ist die sogenannte "Partygate"-Affäre.
Der in der "Partygate"-Affäre stark in die Kritik geratene britische Premierminister Boris Johnson muss sich am Abend einem Misstrauensvotum seiner Konservativen Partei stellen. Dafür sei die notwendige Anzahl an Anträgen - mindestens 54 - von Tory-Abgeordneten eingegangen, teilte der Chef des zuständigen Parteikomitees, Graham Brady, in London mit.
Die Abstimmung soll zwischen 19.00 und 21.00 Uhr unserer Zeit stattfinden. Sollte Johnson dabei verlieren, würde er seine Ämter als Premierminister und Parteichef abgeben müssen. Sollte das Misstrauensvotum scheitern, wäre er hingegen ein Jahr lang vor einer weiteren solchen Abstimmung sicher.
"Chance für einen Schlussstrich"
Allerdings ist allein das Zustandekommen des Misstrauensvotums ein weiterer schwerer Schlag für den Premier. In einer ersten Reaktion begrüßte ein Sprecher der Downing Street die Abstimmung aber als Chance, "einen Schlussstrich zu ziehen und nach vorne zu schauen".
Johnson begrüße die Gelegenheit, den Abgeordneten seine Argumente darzulegen, erklärte der Sprecher. "Er wird sie daran erinnern, dass es, wenn sie geeint sind und sich auf die Themen konzentrieren, die den Wählern wichtig sind, keine überragendere politische Kraft gibt."
Untersuchungsbericht belastet Johnson schwer
Nach einer Phase der Beruhigung war der Unmut über Johnson wegen des "Partygate"-Skandals nach Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts wieder gestiegen. Wegen seiner Teilnahme an einer der Feiern während des Corona-Lockdowns war gegen ihn bereits eine Geldstrafe verhängt worden.
Damit ist er der erste amtierende britische Premierminister, der gegen das Gesetz verstoßen hat. Der Untersuchungsbericht wirft ihm und anderen Verantwortlichen Führungsversagen und schwere Verfehlungen bei der Einhaltung von Corona-Regeln vor.
Hohe Hürde für Abwahl
Im Unterhaus in London entschuldigte sich der 57-Jährige mehrmals. Einen Rücktritt lehnt er jedoch ab. Um Johnson abzuwählen, müssen bei dem Misstrauensvotum mindestens 180 Abgeordnete gegen ihn stimmen. Dies gilt als hohe Hürde, zumal etwa 150 Tory-Parlamentarier einen teilweise bezahlten Regierungsjob inne haben, den sie im Fall einer Abwahl Johnsons verlieren könnten.
Zudem weisen Experten darauf hin, dass es derzeit keine echte Alternative zum Premier gebe, der zudem als wichtigster Wahlkämpfer der Konservativen Partei gilt.
"Sehr gute Alternativen zum Premierminister"
Sollte Johnson dennoch abgesetzt werden, gäbe es eine Wahl für den Vorsitz der Konservativen Partei. Zu dieser würden voraussichtlich mehrere bekannte Regierungsminister antreten. Der Johnson-Kritiker Roger Gale von der Partei sagte, "wir haben einige sehr gute Alternativen zum Premierminister, also mangelt es uns nicht an Auswahl. Jede einzelne dieser Personen wäre meiner Meinung nach ein besserer Premierminister als derjenige, den wir im Moment haben", sagte Gale der BBC.