Misstrauensvotum gegen Johnson Eine Frage des Vertrauens
Wilde Partys im Lockdown, Strafgelder gegen einen Premier - bislang hat Boris Johnson das alles überstanden. Doch jetzt muss er sich heute auch noch einem Misstrauensvotum seiner eigenen Partei stellen.
180 Stimmen braucht Boris Johnson am Abend, um das Misstrauensvotum zu überstehen. 180 der insgesamt 359 konservativen Abgeordneten im Unterhaus müssen sich für ihn aussprechen, dann würde er Parteichef und Premierminister bleiben. Zahlreiche Minister der Regierung Johnson haben sich sofort nach der Mitteilung, dass es am Abend ein Misstrauensvotum geben wird, hinter Johnson gestellt.
Auf jeden Fall politisch beschädigt?
Rishi Sunak etwa, der Finanzminister, der auch immer wieder als möglicher Nachfolger gehandelt worden ist. Auf Twitter schrieb der Politiker, er stehe hinter Johnson. Eine schnelle Impfkampagne, eine rasche Antwort auf die russische Aggression, der Premierminister habe die Führung gezeigt, die dieses Land brauche.
Auch Gesundheitsminister Sajid Javid sprach sich für Johnson aus. Der Premierminister werde die Abstimmung für sich entscheiden, sagte Javid in der BBC. Das Misstrauensvotum biete die Möglichkeit, alle Spekulationen zu beenden und sich hinter einem Programm zu vereinen, das für die Menschen liefere. Ob Johnson jedoch gestärkt aus diesem Votum hervorgehen kann, daran gibt es berechtigte Zweifel. Anfang 2019 überstand die damalige Premierministerin Theresa May ein Misstrauensvotum, galt jedoch als politisch beschädigt.
Ausgebuht und schlechte Umfragewerte
Im Vereinigten Königreich sind viele Wählerinnen und Wähler enttäuscht von Johnson und verärgert über "Partygate". Als der Premier am vergangenen Freitag mit seiner Frau Carrie zum Dankesgottesdienst in die St. Pauls Cathedral kam, wurde er ausgebuht.
Hinzu kommt: Die Umfragen für die Konservativen sind schlecht. Am 23. Juni finden Nachwahlen in zwei Bezirken statt. Die Tories könnten beide Sitze verlieren. Gerade auch diese Aussichten lassen viele in der Partei nervös werden. Mittlerweile gibt es sogar Parteispender, die gedroht haben, keine weiteren Zahlungen mehr zu leisten, solange Johnson Parteichef ist.
Wilde Partys und 126 Geldbußen
Sollte er das Misstrauensvotum nicht überstehen, muss die Partei einen neuen Vorsitzenden bestimmen, der dann auch Premier wird. Liz Truss wird als mögliche Nachfolgerin genannt. Die Außenministerin hat sich allerdings auch für Johnson ausgesprochen. Ähnlich sieht es aus mit Sunak, dem Finanzminister.
Boris Johnson steht seit längerem unter Druck wegen zahlreicher Partys im Regierungssitz während des Lockdowns. Die Regierungsbeamtin Sue Gray sprach in einem Untersuchungsbericht von Führungsversagen und dokumentierte zahlreiche Zusammenkünfte. Die Polizei hat ermittelt und insgesamt 126 Geldbußen verhängt, auch gegen Boris Johnson. Der Premier hatte ursprünglich bestritten, dass es Regelverstöße gegeben hat. Ein Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, ob Johnson gelogen hat.