Angriff auf Moskauer Geschäftsviertel Schweigen nach den Drohnenattacken
Wieder ist ein Büroturm in Moskaus Geschäftsviertel Ziel von Drohnenangriffen geworden. Während Arbeiter Ängste äußern, berichten russische Medien kaum darüber. Und auch der Kreml gibt sich einsilbig.
Es war 3.48 Uhr Ortszeit, als Moskaus Bürgermeister über seinen Telegram-Kanal informierte: "Mehrere Drohnen abgeschossen, aber eine flog in das gleiche Gebäude in Moskwa City wie bereits am Sonntag." Die Glasfassade im 21. Stock sei auf 150 Quadratmetern geborsten, Verletzte habe es nicht gegeben.
Moskwa City ist ein eindrucksvoller, junger Geschäftsbezirk direkt an der Moskwa, dem Fluss Moskau, mit dem zweithöchsten Wolkenkratzer Europas. Stunden nach dem Drohneneinschlag - inmitten von Bauarbeiten - sagen zwei, die hier arbeiten: "Das war ja zu erwarten, früher oder später."
"Natürlich hat jeder Angst"
Sie glauben nicht, dass sich der Angriff auf ihre Arbeit auswirken werde. "Aber besorgt bin ich schon, um es vorsichtig auszudrücken", sagt einer von ihnen. "Klar macht uns das große Sorgen. Denn wie man so sagt, der Blitz schlägt nicht zweimal an derselben Stelle ein", meint der andere. Und hier sei das passiert. "Natürlich betrifft es uns. Natürlich hat jeder Angst. Alle haben Familien."
Wenig beruhigend war da auch die morgendliche Erklärung des Verteidigungsministeriums, zwei Drohnen seien abgeschossen worden und die dritte mit elektronischen Mitteln unschädlich gemacht, bevor sie dann doch in das Bürogebäude stürzte. Aber große Beunruhigung in Moskau, oder eine breite Debatte?
Kreml-Sprecher Peskow: Habe nicht hinzuzufügen
Auffällig ist stattdessen erneut, wie schnell das Thema Drohnenangriff aus den Medien verschwand. In den Fernsehnachrichten oder im Hörfunk waren die abgewehrte Drohnenboote im Schwarzen Meer das Topthema. Dann folgte ein Blick auf die Front in der Ukraine. Auch in den weiteren Meldungen fiel kein Wort zu den Drohnen über Moskau.
Angesichts der Bedeutung des Angriffs wirkt das mediale Schweigen, als hätte es eine Art Appell gegeben, das Thema tiefzuhängen. Auch Präsidentensprecher Dmitri Peskow antwortete am Vormittag in seinem Pressebriefing auf eine ausführliche Frage zu geplanten Reaktionen äußerst einsilbig. "Ich habe dem, was das Verteidigungsministerium erklärte, nichts hinzuzufügen. Die Gefahr existiert in der Tat, sie ist offensichtlich. Und die Maßnahmen werden ergriffen."
Krieg ist seit Mai in Moskau angekommen
Mit den Anschlägen des 11. September 2001 lassen sich diese Drohnenangriffe nicht vergleichen, stellte der Präsidentensprecher fest - und das meldeten russische Nachrichtenagenturen umgehend per Eilmeldung. Aber der Krieg gegen die Ukraine ist über die Drohnenangriffe in Moskau angekommen.
Der erste fand am 3. Mai statt: Zwei Flugkörper explodierten direkt über dem Kreml - bis heute ist es ein Anschlag mit vielen Fragezeichen zur Urheberschaft. Seither sind in insgesamt sieben weiteren Fällen Drohnen über dem Stadtgebiet, den Außenbezirken oder im Anflug über dem Gebiet südwestlich Moskaus abgeschossen worden. In allen Fällen hieß es umgehend offiziell: Dies waren Terroranschläge der Ukraine, aber die Flugabwehr habe erfolgreich funktioniert.
Umfragen: Deutliche Mehrheit befürwortet Invasion
Wächst dennoch die Ablehnung des Krieges? Direkt haben Meinungsforscher die Haltung der Bevölkerung nach den Drohnenanschlägen bislang nicht abgefragt.
Aber neben den staatlichen Umfrageinstituten misst auch das unabhängige Lewada-Zentrum seit dem Einschlag der ersten Drohne Anfang Mai keine schwindende Unterstützung des Krieges. Praktisch unverändert steht eine überwältigende Mehrheit - drei von vier Befragten - hinter dem Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine.