Gipfel zur Ostsee-Sicherheit Mehr Überwachung, mehr Abschreckung
Nach mutmaßlichen Sabotagefällen wollen die NATO-Staaten Kabel und Pipelines in der Ostsee besser schützen. Auf einem Gipfel berieten sie über das Vorgehen. Experten warnen, Sabotage könne zu "wirtschaftlicher Verwüstung" führen.
Es ist kein Zufall, dass sich die NATO-Alliierten ausgerechnet in Helsinki treffen. Finnland war zuletzt immer wieder betroffen von mutmaßlichen Sabotageakten in der Ostsee. Tief unten am Meeresgrund verbinden unzählige Kabel die Länder miteinander. Angriffe sind schwer zu verhindern. Den Anrainern ist klar: Es geht nur gemeinsam.
Auch Deutschland will sich deshalb mit seiner Marine stärker engagieren, verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz in der finnischen Hauptstadt: "Diese kritischen Infrastrukturen, die Daten-, Informationen-Austausch möglich machen, die Stromlieferungen möglich machen, die Gaslieferungen möglich machen, sind von allergrößter Bedeutung für die Sicherheit unserer Länder", so Scholz. "Und deshalb müssen wir alles dafür tun, dass wir diese kritischen Infrastrukturen auch sichern können."
Ermittler haben russische Schattenflotte in Verdacht
Spätestens nach dem letzten Kabelschaden in der Ostsee ist das Thema auf der Prioritätenliste der NATO weit nach oben gerückt. Weihnachten soll der Tanker Eagle S unter anderem ein Stromkabel zwischen Finnland und Estland mit seinem Anker beschädigt haben. Die Ermittler glauben, dass das Schiff zur russischen Schattenflotte gehört - und die Kabel mutwillig beschädigt wurden.
Gegen solche Angriffe müsse die NATO in Zukunft besser gewappnet sein, sagt Generalsekretär Mark Rutte in Helsinki: "Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um uns zu wehren und sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert."
Ganz konkret: Die NATO will Schiffe und Patrouille-Flugzeuge in die Ostsee-Region schicken. Darauf verständigten sich die Anrainerstaaten in Helsinki. Aber die NATO wolle auch moderne Technologie auf See einsetzen, sagt Rutte: "Unter anderem eine kleine Flotte von Marinedrohnen, um die Überwachung und Abschreckung zu verbessern. Wir arbeiten auch mit den Alliierten zusammen, um ihre nationale Überwachung in die NATO zu integrieren - und so Bedrohungen besser zu erkennen."
Schnelle Reaktion bei Sabotage erforderlich
Schon jetzt gibt es Fortschritte im Umgang mit hybriden Angriffen. Im Fall der Eagle S reagierten die finnischen Ermittler beherzt. Sie stoppten das Schiff und brachten es in die eigenen Gewässer. Erstmals können die Behörden deshalb nun an Bord ermitteln.
Das Vorgehen sei ein Vorbild für die NATO, sagt Finnlands Präsident Alexander Stubb: "Wird ein Kabel angegriffen, müssen die betroffenen Unternehmen es den Behörden direkt melden. Die sollten das verantwortliche Schiff identifizieren, kontaktieren und stoppen. Hätten wir im Fall der Eagle S zwölf Minuten länger gewartet, wäre der Schaden viel größer gewesen."
Experte warnt vor "wirtschaftlicher und physischer Verwüstung"
Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn die verdächtigen Schiffe sind meist in internationalen Gewässern unterwegs. Unter welchen Umständen dürfen die NATO-Staaten dort in den Seeverkehr eingreifen? Mit dieser Frage sollen sich jetzt die Außenministerien der Ostsee-Anrainer beschäftigen.
Wie ernst die Bedrohung ist, erklärt Jukka Savolainen vom Kompetenzzentrum zur Abwehr hybrider Angriffe in der finnischen Hauptstadt: "Im schlimmsten Fall - wenn jemand gleichzeitig ein paar Schiffe oder andere Mittel zur Sabotage einsetzt, kann es in Westeuropa zu wirtschaftlicher und physischer Verwüstung kommen. Zu schweren Schäden am Stromnetz, die Tage andauern, zu sehr hohen Energiepreisen. In Teilen der Gesellschaft könnte vorübergehend Anarchie herrschen", so Savolainen.
Ein Szenario, das es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.