Eine Plenarsitzung des Europaparlaments.

Regierungsbildung in Wien Alarmstimmung im Europaparlament

Stand: 09.01.2025 21:31 Uhr

Erstmals könnte Österreich von einem Kanzler der in Teilen rechtsextremen FPÖ regiert werden - mit der ÖVP als Juniorpartner. Bei CDU-Europaabgeordneten sorgt das für Alarm.

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke spricht von einem Horrorszenario. Christdemokraten als Steigbügelhalter für einen Kanzler Herbert Kickl. Das würde den Kern der Christdemokratie irreparabel beschädigen. Die Österreichische Volkspartei als Juniorpartner in einer Koalition mit der FPÖ unter einem Kanzler, der EU-Gegner und erklärter Putin-Freund ist.

Eine im höchsten Grade beunruhigende Perspektive, findet auch die CDU-Politikerin Christine Schneider. Sie ist die Parlamentarische Geschäftsführerin der Unions-Gruppe im EU-Parlament.

"Für uns als CDU gilt ganz klar: Es wird keine Zusammenarbeit mit Parteien geben, die nicht unsere grundlegenden Werte teilen. Das bedeutet, dass sie proeuropäisch sind, pro Ukraine und pro Rechtstaatlichkeit", sagt Schneider.

Sollte Kickl an seiner bisherigen Linie festhalten, dann wäre das nicht nur ein Problem für Österreich, sondern eine große Gefahr für Europa insgesamt.

ÖVP will Befürchtungen zerstreuen

Die ÖVP-Europaabgeordneten geben sich alle Mühe, solche Befürchtungen zu zerstreuen und die ganze Angelegenheit etwas tiefer zu hängen. Reinhold Lopatka, Chef der Gruppe in der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, erklärt, dass FPÖ-Chef Kickl natürlich Abstriche machen müsse bei seiner antieuropäischen Politik.

Und auch Lukas Mandl, der ebenfalls für die Österreichische Volkspartei im EU-Parlament sitzt, versichert, dass es eine Regierung unter Kickl nur geben könne, wenn der über sich hinauswachse und zu einer gewissen staatstragenden Größe finde.

"Es darf überhaupt nicht in Zweifel stehen, dass wir uns selbstverständlich mit ganz Europa zusammen verteidigen, gegen die vielfältigen Aggressionen Putin-Russlands gegen uns alle, dass wir den Rechtsstaat hochhalten und dass wir die Werte unserer Zivilisation hochgehalten sehen in der nächsten Regierung", erklärt Mandl. Zeigten sich Österreichs Rechtsnationale da nicht kompromissbereit, müssten die Verhandlungen zur Regierungsbildung scheitern.

Wenig Interesse an Minderheitsregierung

Dann allerdings stünden Neuwahlen im Raum, die die ÖVP verhindern will. Denn seit der Wahl vor gut drei Monaten haben sich die Umfragewerte von Kickls Freiheitlicher Partei deutlich nach oben entwickelt, während die konservative ÖVP weiter abrutschte.

Angst vor Neuwahlen sollte man nie haben, sagt Mandl, der aber auch eine ÖVP-geführte Minderheitsregierung nicht ausschließen will. Denn in Österreich braucht es nur die Vereidigung durch den Bundespräsidenten, um eine Regierung ins Amt zu bringen. 

"Und wenn diese Bundesregierung im Parlament dann zumindest jenes Mindestmaß an Unterstützung findet, nicht aus dem Amt herausgewählt zu werden durch ein Misstrauensantrag, dann ist sie im Amt", sagt Mandl. Zumindest solange genug Abgeordnete anderer Parteien mitspielen.

Die meisten ÖVP-Europaparlamentarier wollen sich zu dieser Möglichkeit lieber nicht offiziell äußern. Hinter vorgehaltener Hand hört man allerdings, dass diese Idee innerhalb der Österreichischen Volkspartei - zumindest bislang - auf wenig Gegenliebe stößt.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 09. Januar 2025 um 18:30 Uhr im Deutschlandfunk.