Karl Nehammer (ÖVP), Bundeskanzler von Österreich

Regierungsbildung in Österreich Koalitionsverhandlungen geplatzt - Nehammer tritt zurück

Stand: 04.01.2025 21:16 Uhr

Es sollte eine Koalition ohne die rechte FPÖ werden: Nachdem in Österreich die NEOS aus den Gesprächen ausgestiegen sind, scheiterten auch die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ. Bundeskanzler Nehammer kündigte seinen Rücktritt an.

In Österreich sind die Verhandlungen zwischen der Kanzlerpartei ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ abgebrochen worden. Ein Sprecher von ÖVP-Chef Karl Nehammer erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Zeitung Die Presse: "Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt alles versucht. Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, so hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs." Über den weiteren Fahrplan werde man in Kürze informieren.

Nehammer erklärte in einer Videobotschaft, dass er als Regierungschef und als Chef der konservativen ÖVP zurücktreten will. Er werde sich in den kommenden Tagen von den Posten zurückziehen, sagte er. Nehammer machte klar, dass er weiterhin nicht bereit sei, mit der rechten FPÖ unter Herbert Kickl Koalitionsgespräche zu führen. "Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten", sagte Nehammer. Laut der Zeitung Der Standard gibt es innerhalb der ÖVP Spekulationen, dass Sebastian Kurz die Spitze der Partei wieder übernehmen könnte.

SPÖ-Chef Babler: "Parteitaktiererei"

Die konservative ÖVP hatte seit Mitte November mit der SPÖ und den liberalen NEOS Gespräche über eine Koalition geführt. Doch am Freitag hatten die NEOS überraschend ihren Ausstieg erklärt, weil aus ihrer Sicht bei den anderen zu wenig Reformwille erkennbar war. ÖVP und SPÖ führten die Verhandlungen danach zu zweit fort. Eine Einigung zwischen ihnen galt von vorneherein als schwierig, weil beide Parteien verschiedene Vorstellungen von der Bewältigung der Wirtschaftskrise und der Sanierung des Staatshaushalts haben. Nehammer lehnte Steuererhöhungen strikt ab.

Bereits im Laufe des Tages hatte es Berichte über eine sich zuspitzende Gesprächsatmosphäre gegeben. Über die Medien hatten die Parteien "rote Linien" ausrichten lassen. SPÖ-Chef Andreas Babler erklärte nach dem Scheitern der Verhandlungen: "Das ist keine gute Nachricht für unser Land". Österreich stehe vor riesigen Herausforderungen: "Es braucht Staatsverantwortung und wenig Parteitaktiererei".

Till Rüger, ARD Wien, zu gescheiteren Koalitionsverhandlungen und Nehammers Rücktrittsankündigung

tagesschau24, 04.01.2025 21:00 Uhr

Rechtspopulisten können auf Wahlsieg hoffen

Das EU-Mitgliedsland Österreich kämpft mit einer schwächelnden Wirtschaft und einem hohen Haushaltsdefizit. Bei der Parlamentswahl Ende September war die rechtspopulistische FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent.  Der ultrarechte FPÖ-Chef Kickl, der Kanzler werden wollte, fand bei ÖVP und SPÖ keinen Partner für eine Regierungsbildung. Daher hatten ÖVP, SPÖ und NEOS Koalitionsverhandlungen aufgenommen.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf einen deutlichen Sieg hoffen. Jüngste Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern. Allerdings könnte es nun auch zu Verhandlungen zwischen der FPÖ und ÖVP kommen, da Nehammer mit seinem Rücktritt, diese Option wieder geöffnet habe, erklärte ARD-Korrespondent Till Rüger. Der Ball läge nun bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der den Regierungsauftrag neu vergeben müsse.

Mit Informationen von Silke Hahne, ARD-Studio Wien

Silke Hahne, ARD Wien, tagesschau, 04.01.2025 21:26 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Januar 2025 um 21:00 Uhr.