Treffen des Ostseerats in Wismar "Lebensadern der Ostsee schützen"
Russlands Angriff auf die Ukraine schweißt die Ostsee-Anrainer stärker zusammen. Gemeinsam wollen sie unter anderem Munitionsreste vom Meeresboden heben, um Flächen für Windparks zu schaffen. Bei der genauen Umsetzung bleiben sie aber vage.
Die Ostsee-Anrainer wollen angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Zusammenarbeit im Sicherheits- und Energiebereich verstärken. Zum Schutz der Offshore-Energieanlagen und von Unterwasser-Infrastruktur vereinbarte der Ostseerat zum Abschluss seines Treffens in Wismar auch eine engere Kooperation bei der Bergung und Entsorgung von Munitionsaltlasten aus den Weltkriegen, die auf dem Meeresboden lagern.
"Gemeinsam müssen wir uns um die Räumung kümmern, um die Lebensadern der Ostsee, die Schifffahrt, Unterseekabel und, jetzt verstärkt, Windkraftanlagen zu schützen", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.
Konkrete Zusagen machte Baerbock nicht
Nach ihrem Willen sollen sich Investoren beim Bau von Offshore-Windparks in der Ostsee künftig an der Bergung von Munitionsaltlasten beteiligen. Ähnlich wie es hierfür Beispiele bei der Nutzung von Truppenübungsplätzen an Land gebe, sollten Investoren beim Bau von Kraftwerken im Gegenzug für die Nutzung der Fläche für die Räumung von Minen und anderen Kampfstoffen aufkommen, sagte die Grünen-Politikerin zum Abschluss des Treffens in der Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern. So sei es auch für wirtschaftlich schwächere Staaten eine "große Chance", wenn dort Windparks entstünden, sagte sie.
Baerbock machte klar, dass gemeinsame Anstrengungen zur Munitionsräumung günstiger seien, als wenn jedes Land alleine vorgehe. Deutschland habe bereits ein Sofortprogramm mit Mitteln von 100 Millionen Euro für die Räumung in deutschen Gewässern der Nord- und Ostsee aufgelegt. Konkrete Zusagen, finanzschwächeren Ostsee-Ländern finanziell zu helfen, machte sie jedoch nicht. Trotz des gemeinsamen Interesses sei jeder Staat für seine Hoheitsgewässer selbst zuständig, sagte die Grünen-Politikerin.
400.000 Tonnen Munition liegen auf dem Meeresgrund
Auch die norwegische Außenministerin Anniken Huitfeldt und die finnische Außen-Staatssekretärin Johanna Sumuvuori sehen eine privatwirtschaftliche Beteiligung als wichtig an. Laut Huitfeldt liegt die Sicherheit am Meeresgrund in der gemeinsamen Verantwortung aller Staaten der Region - auch derer, die weniger Geld zur Verfügung hätten als Norwegen und Deutschland.
In der Abschlusserklärung wiesen die Ratsmitglieder auf die Gefahren hin, die die konventionelle und chemische Munition für die Meeresumwelt, Fischerei, Schifffahrt und Anlagen der erneuerbaren Energien darstellt. Nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung liegen in der Ostsee bis zu 400.000 Tonnen konventionelle Munition und etwa 40.000 Tonnen chemische Kampfstoffe, die nach den Weltkriegen versenkt wurden.
"Ergänzende Rolle" zu NATO und EU
Den verbindenden Bogen des Treffens bildete die Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Ostseerat verurteilte in seiner Abschlusserklärung das "aggressive, provokative und unbegründete" Verhalten der russischen See- und Luftstreitkräfte in und über der Ostsee. Dadurch würden generell akzeptierte Standards der Sicherheit auf dem Meer und in der Luft missachtet. Dies stelle eine Gefahr für Navigation und Kommunikation dar.
Sumuvuori sagte, beim Thema Sicherheit denke der Ostseerat nicht nur an militärische Sicherheit. Man diskutiere ebenso über Versorgungs-, ökonomische und Energiesicherheit, wenn es um die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften in der Region gehe. Baerbock betonte in Wismar, während die NATO die Wehrhaftigkeit ihrer Mitglieder im Verteidigungsbereich garantiere, stehe der Ostseeraum für "die Sicherheit im Alltag". Der Ostseerat habe seine "ergänzende Rolle" zu NATO und EU "neu definiert".
Produktion von Windenergie soll auf 20 Gigawatt erhöht werden
Finnland übernimmt am 1. Juli von Deutschland den Vorsitz im Ostseerat. Dem 1992 gegründeten Regionalgremium mit Sitz in Stockholm gehören neben Deutschland und Finnland auch Norwegen, Dänemark, Estland, Litauen, Lettland, Polen, Schweden, Island und die EU an. Die Ratsmitgliedschaft Russlands war im März 2022 nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine ausgesetzt worden. Daraufhin erklärte Moskau im Mai 2022 seinen Austritt. Bis zum Angriff auf die Ukraine war der Rat eine der Runden, in denen eine konkrete Zusammenarbeit bei Fachthemen mit Moskau möglich war.
Im Streben nach Unabhängigkeit von russischem Gas und Öl hatten alle anderen Ostsee-Anrainerstaaten im August beschlossen, die Offshore-Windenergie massiv auszubauen. Bis 2030 soll die Produktion von Windenergie in der Ostsee um das Siebenfache auf 20 Gigawatt erhöht werden.
Mitglieder des Ostseerates zzgl. der EU als supranationale Körperschaft. Russland ist seit 2022 suspensiert.