Papst zu ertrunkenen Migranten "Die Menschenwürde wird hier begraben"
Bei seinem Besuch in der französischen Hafenstadt Marseille hat Papst Franziskus ein Plädoyer für Seenotrettung gehalten. Das Mittelmeer sei zu einem Friedhof geworden, ein "Fanatismus der Gleichgültigkeit" inakzeptabel.
Mit deutlichen Worten hat Papst Franziskus das Sterben von Migrantinnen und Migranten im Mittelmeer verurteilt. "Wir befinden uns an einem Scheideweg der Zivilisation", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche während seines Besuchs in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille. Auf der einen Seite verlaufe der Weg der Geschwisterlichkeit, so Franziskus - auf der anderen eine Gleichgültigkeit, die das Mittelmeer mit Blut beflecke. "Gewöhnen wir uns nicht daran, Schiffbrüche als Schlagzeilen und die Toten auf See als bloße Zahl zu betrachten", appellierte der Papst.
Das Mittelmeer sei zu einem riesigen Friedhof geworden, wo viele Menschen selbst des Rechtes auf ein Grab beraubt würden. "Nur die Menschenwürde wird hier begraben", sagte Franziskus. Die Migranten würden vor Konflikten, Armut und Umweltkatastrophen fliehen. In den Wellen des Mittelmeers werde ihre Suche nach einer besseren Zukunft endgültig abgelehnt. Das Kirchenoberhaupt rief zu Taten auf.
Rettung Ertrinkender als "Pflicht der Zivilisation"
Menschenhandel, Folter, Schiffbrüche und ein "Fanatismus der Gleichgültigkeit" dürften nicht länger akzeptiert werden, sagte der Papst und forderte: "Menschen, die zu ertrinken drohen, wenn sie auf den Wellen ausgesetzt werden, müssen gerettet werden. Das ist eine Pflicht der Menschlichkeit, eine Pflicht der Zivilisation."
Der Papst äußerte sich im Rahmen eines Gedenkens für Ertrunkene im Mittelmeer, an der auch Vertreter anderer Religionen und christlicher Kirchen teilnahmen. Gastfreundschaft sei eine Wurzel von Judentum, Islam und Christentum, sagte Franziskus. Gläubige müssten sich beispielhaft einander annehmen. Die religiösen Führer kamen an einer Gedenkstelle nahe der Basilika Notre-Dame de la Garde zusammen. Das Denkmal zeigt ein Kreuz, einen Anker und ein Herz; die Symbole stehen für Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe.
Allein auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa landeten in diesem Monat mehr als 10.000 Migrantinnen und Migranten. Immer wieder kommt es auch zu tödlichen Zwischenfällen. Über die Zustände dort äußerte der Papst sich zum Auftakt seiner Reise erschüttert. "Die Lage auf Lampedusa ist grausam, ein schrecklicher Mangel an Menschlichkeit."
60.000 Gäste zu Messe erwartet
Franziskus äußerte sich auf dem Hinflug vor Journalisten auch zur Situation in Libyen, wo viele Migranten darauf warten, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Wörtlich sagte er nach einem Bericht des italienischen Fernsehsenders RAI: "Sie halten sie in Libyen in Lagern fest und werfen sie dann ins Meer."
Viele der Boote, die Menschen gegen Bezahlung aus afrikanischen Ländern nach Lampedusa bringen, kommen aus Libyen und Tunesien. Immer wieder ertrinken Migrantinnen und Migranten bei der Überfahrt.
Auch bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Samstag soll Migration ein Thema sein. Zu einer Messe im Stadion Velodrome werden 60.000 Menschen erwartet.