Folge des Streiks Paris versinkt im Müll
Müllberge und Gestank: Wegen der geplanten Rentenreform streikt seit einer Woche auch die kommunale Müllabfuhr in Paris. Die Gewerkschaft warnt, dass das Müllproblem noch schlimmer werden könnte.
Pappkartons, schwarze Plastiksäcke, Styropor: In einigen Vierteln von Paris wird das Flanieren gerade zum Hindernislauf. Überall stapelt sich Müll am Straßenrand. Jean-Luc ist Fleischer im 15. Arrondissement. Am Morgen macht er im Fernsehsender BFMTV seinem Ärger Luft.
Jean-Luc zeigt dabei auf die überquellenden Tonnen vor seinem Geschäft. "Die Leute kommen auf dem Gehweg nicht mehr durch. Heute früh hab ich Ratten gesehen! Wenn das so bleibt, und wenn Madame Hidalgo nicht schnell was unternimmt, wächst uns das über den Kopf."
Es seien noch 500 Tage bis zum Start der Olympischen Spiele. "Wenn das so weitergeht, können wir Olympia vergessen." Die Touristen machten jetzt schon Fotos und stellten sie ins Netz. "Madame Hidalgo - beeilen Sie sich. Sonst nimmt das ein böses Ende", warnt er.
Müllabfuhr streikt wegen Rentenplänen
Noch scheint Anne Hidalgo - die Oberbürgermeisterin von Paris, Mitglied des Parti Socialiste - aber nicht daran zu denken, etwas zu unternehmen. Seit einer Woche streiken die Müllmänner und -frauen im Rahmen der Proteste gegen die geplante Rentenreform.
Hidalgo hat erst am Montag nochmal betont, dass sie diesen Streik unterstützt. Sie stehe voll und ganz hinter den Protesten. "Wenn das Menschen betrifft, die im öffentlichen Dienst arbeiten - genauso wie die, die bei privaten Firmen angestellt sind - dann sage ich der Regierung: Sprechen Sie mit ihnen! Versuchen Sie zu verstehen, was diese Menschen ihnen sagen wollen. Dann reden wir weiter!"
5600 Tonnen Müll auf den Straßen
Eine Haltung, die bei vielen Menschen und auch bei Hidalgos politischen Gegnern für verständnisloses Kopfschütteln sorgt. Rund 5600 Tonnen Müll hatten sich nach Angaben der Stadtverwaltung am Montag auf den Pariser Straßen gesammelt. Und täglich werden es mehr.
Silvain Maillard ist Mitglied der Präsidentenpartei Renaissance und sitzt als Abgeordneter für Paris in der französischen Nationalversammlung. Dort, wo die Müllabfuhr privatisiert sei, funktioniere es einigermaßen - also ungefähr in der Hälfte der Arrondissements, berichtet er.
"Wir fordern, dass es eine gewisse Solidarität gibt: Also, dass die Angestellten bei privaten Müllabfuhr-Unternehmen wenigstens vor Schulen und Kindergärten den Müll abholen und es da wenigstens einigermaßen sauber ist", so Maillard. Die Oberbürgermeisterin müsse dafür sorgen, dass auch ein Teil der Streikenden wieder arbeitet.
Unterstützung aus anderen Regionen
In einigen Vierteln, in denen sich der Müll besonders hoch türmt, haben die Bezirksbürgermeister bereits Fahrzeuge und Personal aus anderen Gegenden Frankreichs angefordert. Doch auch in den Vierteln, in denen die Müllabfuhr privatisiert ist - und aktuell noch einigermaßen läuft - könnte sich die Lage zuspitzen. Denn auch drei Müllverbrennungsanlagen in Vororten von Paris werden aktuell bestreikt.
Rachida Dati, Bürgermeisterin des 7. Arrondissements und Mitglied der Konservativen Les Républicains, ist überzeugt, dass ein garantiertes Mindestmaß an Dienstleistungen bei der Müllabfuhr nötig ist, um Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Ordnung zu vermeiden.
Streikrecht hat Verfassungsrang
Sowohl das Streikrecht als auch die Kontinuität der öffentlichen Dienstleistungen haben in Frankreich Verfassungsrang, erklären Experten. In der Praxis setze sich aber oft das Streikrecht durch. Natacha Pommet, Sekretärin der Gewerkschaft CGT für den öffentlichen Dienst, erinnert an den Grund des Streiks:
Das Problem ist nicht die Oberbürgermeisterin von Paris. Das Problem ist, dass wir eine Regierung haben, die unbedingt eine Reform umsetzen will, mit der die Mehrheit der Menschen nicht einverstanden ist. Es wird Zeit, dass die Regierung zuhört, sonst wird das Müllproblem noch schlimmer!
Zwar konzentriert sich die öffentliche Debatte aktuell auf Paris, doch auch in anderen größeren Städten Frankreichs bleibt der Müll auf der Straße liegen. Bis morgen wollen die Müllmänner und -frauen ihren Streik fortsetzen - mindestens.