Ein Jahr vor den Olympischen Spielen Probelauf in Paris
In einem Jahr werden die Olympischen Spiele in Paris eröffnet - nicht in einem Stadion, sondern mitten in der Stadt. Hunderttausende Zuschauer werden erwartet - ein Hochrisiko-Event. Dafür wird schon jetzt geprobt.
Paris probt die Parade. An einem Julitag passieren dutzende Schiffe die Brücke Iéna direkt am Eiffelturm, aber es sind keine Passagiere darauf zu sehen. Es ist der erste großangelegte Test: Wie lange braucht der Schiffskorso vom Start bis zum Ziel? Was tun bei einer Motorpanne, bei einem Herzinfarkt auf einem Boote oder bei einem gewalttätigen Zwischenfall am Ufer?
10.000 Athleten werden bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 2024 verteilt auf 91 Boote die Seine hinunterfahren. Am Fuße der Brücke springt Tony Estanguet aus einem schwarzen Schnellboot. Der frühere Kanute und heutige Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele versichert, er und sein Team seien für den Ernstfall gewappnet, und er erklärt, dass die sechs Kilometer lange Strecke in verschiedene Sicherheitszonen aufgeteilt worden sei.
Die Sicherheit habe "oberste Priorität", sagt Estanguet. "Denn wir wissen: Wenn etwas passiert, ist auch die schönste Eröffnungsfeier nichts mehr wert."
Wenn in einem Jahr die Eröffnungsfeier auf der Seine stattfindet, werden - anders als beim Probelauf - Hunderttausende Schaulustige erwartet.
Zehntausende Polizisten im Einsatz
Am Abend der Eröffnungszeremonie werden in Paris 35.000 Polizeibeamte im Einsatz sein. Es wurden 400 zusätzliche Kameras zur Videoüberwachung in der Stadt installiert, die mit künstlicher Intelligenz und in Echtzeit verdächtige Personen herausfiltern sollen. Das ist eine Premiere in Europa.
40 Boote mit Sicherheitskräften werden den Schiffskorso auf der Seine begleiten. Auch der Pariser Polizeipräfekt Laurent Nunez schaut sich deshalb die Probe-Parade live an. Das Besondere bei diesem Einsatz sei, dass verschiedene Spezialeinheiten so eng wie noch nie zusammenarbeiten werden - Terror- und Sondereinheiten zusätzlich zum normalen Polizeiaufgebot. Der erste Test des Zusammenspiels sei "ziemlich positiv" verlaufen, zieht er anschließend Bilanz.
Minister in sarkastischer Stimmung
Eine in Teilen kostenlos zugängliche Eröffnungszeremonie auf der Seine mitten in Paris: Diese Idee kommentierte Innenminister Gerald Darmanin im Januar vor einer hochkarätig besetzten Sicherheitsrunde leicht sarkastisch so:
Die Olympischen Spiele in Paris, das passiert alle 100 Jahre einmal und musste ausgerechnet uns treffen! Eine Eröffnungszeremonie außerhalb eines Stadions wiederum, das passiert nur alle 3500 Jahre. Denn das gab es bisher noch nie.
Kein Plan B
Die Stadt will beweisen, dass der Traum von der Eröffnungszeremonie auf der Seine wahr werden kann. Trotz der Terrorattacken der Vergangenheit, trotz der jüngsten Unruhen, trotz des peinlichen Chaos beim Champions League Finale 2022 gibt es keinen Plan B. Damit es tatsächlich klappt, werden zusätzlich zu den staatlichen Einsatzkräften private Sicherheitsleute benötigt; nach Angaben des Innenministeriums 22.000.
Andere Berechnungen fallen deutlich höher aus. Die Rekrutierungsmaschine der Arbeitsagentur für die entsprechenden Ausbildungskurse läuft auf Hochtouren. Doch noch reichen die Bewerber bei Weitem nicht aus. Private Sicherheitsschulen wie die EESP in Versailles bilden die Anwärter in dreiwöchigen Crashkursen aus.
Lehrer Brahim Koulibali versucht, seinen überwiegend unbedarften Schülern vor allem eines einzuschärfen - wie sie ein verdächtiges Individuum erkennen. Sie müssten beobachten, das Verhalten der Leute studieren und lernen, "auch nonverbale Sprache zu lesen", sagt Koulibali. "Wenn sie einen Zweifel haben, dann dürfen sie nicht zögern, dann müssen sie das einem Polizisten mitteilen, damit die verdächtige Person aufgehalten werden kann."
Die Realität dürfte fordernder werden
Während Koulibali die Aufgaben erläutert, proben Pauline, Léa und Antoine den Ernstfall. Sie sind zwischen 17 und 23 Jahre alt. Ganz schön jung für so einen verantwortungsvollen Job. Alle sind hoch motiviert, haben aber auch Respekt vor der Tätigkeit. Sich im Training richtig schubsen, um zu spüren, was es bedeutet, als Sicherheitskraft angegangen zu werden, sagt zum Beispiel Léa, das ginge ja noch. "Aber in echt wird das bestimmt noch heftiger."
Und in echt - das ist schon in einem Jahr.