Pariser Terrorprozess "Sie haben die Bestie genährt"
Im Prozess um die Terroranschläge in Paris im November 2015 hat die Staatsanwaltschaft für hohe Strafen plädiert. Für den Hauptangeklagten Abdeslam forderte die Anklage lebenslange Haft mit unbegrenzter Sicherheitsverwahrung.
Als die Staatsanwältin Camille Hennetier ans Rednerpult tritt, haben sie und ihre beiden Kollegen bereits mehr als zwölf Stunden Plädoyers hinter sich. "Jetzt komme ich zum Schluss", sagt die zierliche Frau in der roten Robe. "Die Strafen, die wir fordern werden, werden hart sein, sehr hart." Und zwar für alle 20 Angeklagten.
Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haftstrafe
Die Staatsanwaltschaft fordert zwischen fünf Jahren Haft für einen, den sie als Helfershelfer sieht, und lebenslanger Haft mit unbegrenzter Sicherheitsverwahrung für den Hauptangeklagten Salah Abdeslam.
"Das ist ein strenges, aber sehr ausgeglichenes Strafmaß", sagt Didier Seban, einer von 300 Anwältinnen und Anwälten der Nebenklage. "Die Staatsanwaltschaft hat die Rolle jedes einzelnen Angeklagten bei der Planung und Durchführung der Anschläge vom 13. November 2015 aufgezeigt. Und jeder von ihnen soll für das Verbrechen bestraft werden, das er begangen hat."
Der einzige Überlebende des Terrorkommandos
Salah Abdeslam, der einzige noch Lebenden des Terrorkommandos vom 13. November, habe aktiv an der Tötung der 130 Menschen vor dem Stade de France, vor Terrassen und Cafés und im Konzertsaal Bataclan mitgewirkt, sagt die Staatsanwaltschaft. Er sei fasziniert von der Gewalt der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS).
Bis heute sei Abdeslam von der radikal-islamistischen Ideologie zerfressen, sagt Staatsanwältin Hennetier. Trotz seiner Entschuldigung bei den Überlebenden und Hinterbliebenen, trotz seiner Aussage, er habe seinen Sprengstoffgürtel bewusst nicht gezündet - aus Menschlichkeit.
"Auf einmal bittet er um Entschuldigung"
"Ich sehe das wie die Staatsanwältin", sagt Sahbi Hemana. Er verlor seinen Sohn am Abend des 13. November vor dem Bistro "La Bonne Bière". Für den Prozess ist er aus Algerien nach Paris gekommen, war an mehr als 100 Prozesstagen im Gericht. Er wirkt müde, der Rücken tue ihm weh von den Holzbänken im Saal, sagt er. Trotzdem nimmt er sich Zeit.
"Abdeslam hat ein widersprüchliches Verhalten gezeigt. Er hat sich den ganzen Prozess über als Mitglied des IS bezeichnet und die Terrororganisation glorifiziert. Und dann, auf einmal, bittet er um Entschuldigung, weint", sagt Hemana. "Nein, das glaube ich ihm nicht."
Blut an den Händen
Hemana glaubt, wie auch die Staatsanwaltschaft, dass Abdeslams Sprengstoffgürtel einen Defekt hatte. Das allerdings sei für das Strafmaß irrelevant, plädiert Staatsanwalt Nicolas Le Bris. Abdeslam habe drei Attentäter zum Stade de France gefahren. Wie die toten Terroristen des Kommandos habe auch er Blut an den Händen.
"Das muss das Gericht jetzt klären", sagt Hemana. Er hofft darauf, dass das Gericht Ende des Monats der Forderung der Staatsanwaltschaft folgen wird. Ihm gäbe das zumindest ein bisschen Frieden. "Lebenslang im Gefängnis zu sein, das ist schlimmer als der Tod. Und ich hoffe, er wird dann Zeit zum Nachdenken haben."
Alle Angeklagten für mitschuldig befunden
Neben Abdeslam, für den die Staatsanwaltschaft die härteste Strafe fordert, sollen auch drei weitere Angeklagte lebenslang in Haft, teils mit jahrzehntelanger Sicherheitsverwahrung. Die Staatsanwaltschaft befindet alle 20 Angeklagten für mitschuldig an den Attentaten vom 13. November 2015.
Aus Überzeugung, aus Gefälligkeit, aus Profitgier oder aus Feigheit, sie alle hätten die Bestie genährt. Ohne sie, schließt Staatsanwalt Le Bris seinen Teil des Plädoyers, wären die Anschläge nicht möglich gewesen.