Hybride Kriegsführung Wenn im Cockpit plötzlich das GPS ausfällt
Tausende zivile Piloten im Ostseeraum hatten in den vergangenen Monaten damit zu kämpfen, dass mitten im Flug plötzlich ihr Navigationssystem ausfiel. Behörden aus dem Baltikum sind sicher: Der Grund sind Störsignale aus Kaliningrad.
Die Sicht war gut, als Henrik Edshammar mit seinen Flugschülern im polnischen Danzig startete. Einmal über die Ostsee, zurück nach Schweden - das war der Plan. Es sah nach einem angenehmen Flug aus an diesem Tag im März. Doch schon auf 150 Metern Höhe fällt das GPS-Signal aus, das wichtig ist für die Navigation:
"Ich kann keinen Fehler finden, starte das System neu. Alles funktioniert - nur das GPS-Signal ist immer noch nicht da", erinnert sich Edshammar. "Dann meldet sich mein Kollege, der kurz vor mir mit anderen Schülern gestartet ist. Er hat das gleiche Problem. Da wird uns klar: Es hat nichts mit unseren Flugzeugen zu tun."
Der Fall der schwedischen Fluglehrer ist einer von tausenden. Während 2018 in der gesamten Ostsee-Region nach Auskunft der Europäischen Agentur für Flugsicherheit keine 100 Fälle von GPS-Störungen gemeldet wurden, waren es im vergangenen Jahr mehr als 10.000. In diesem Jahr gibt es nochmal einen deutlichen Anstieg.
Wenn Back-up-Systeme fehlen
Die Fluggesellschaft Finnair sah sich im Frühjahr gezwungen, für einige Wochen Landungen im estnischen Tartu einzustellen - wegen ständiger Störungen, wie es hieß. In der Regel kann man bei GPS-Ausfällen mit Back-Up-Systemen navigieren. Die gab es in Tartu aber nicht.
Über sicherheitsrelevante Vorfälle in der zivilen Luftfahrt ist trotz der tausenden Fälle bislang nichts bekannt. Der schwedische Pilot Edshammar ließ sich eine Weile von Fluglotsen aus einem Tower navigieren. Nach einer halben Stunde war das GPS-Signal plötzlich wieder verfügbar: "Es ist, als ob man die ganze Zeit durch Wolken fliegt und dann kommt Sonnenschein und man kann wieder etwas sehen. Ein Gefühl, wie wenn man plötzlich in schönes Wetter fliegt", erinnert er sich.
Balten sehen Russland als Verursacher
Die GPS-Unterbrechungen im Ostseeraum würden beispielsweise in der russischen Exklave Kaliningrad ausgelöst, sagen Behörden aus Litauen oder Estland auf Anfrage der ARD. Auch Hans Liwång bestätigt das. Er ist Wissenschaftler an der schwedischen Hochschule für Verteidigung in Stockholm und sagt: "Die Ostsee ist von den Spannungen zwischen Russland und dem Westen betroffen. Wenn man auf die GPS-Störungen schaut, deutet alles darauf hin, dass die meisten von Russland von Kaliningrad aus veranlasst werden."
Nicht nur Flugzeuge sind von diesen technischen Problemen betroffen: Schiffe, Handys oder auch die Landwirtschaft benötigen GPS-Daten. An der finnischen Grenze zu Russland klagen Landwirte über Probleme mit ihren Traktoren, die nicht genau über das Feld navigieren könnten.
Die neue Normalität für Piloten?
Solche Störungen scheinen die neue Normalität zu sein, sagt der schwedische Fluglehrer Henrik Edshammar. Für ihn bedeutet das: Jeder Flug muss intensiver geplant werden - etwa indem er vor dem Start mehr Treibstoff tankt, falls sich die Landung verzögert.
Seine Flugschüler müsse er in einem solchen Moment beruhigen. Sie seien es ja nicht gewohnt, andere Systeme zum Navigieren zu nutzen, sagt der Pilot - auch wenn diese Back-Up-Lösungen sehr gut funktionieren.