Polen nach der Wahl Mehr als nur PiS-Gegner
Um die PiS abzulösen, müssten mehrere Parteien und Bündnisse in Polen eine Koalition bilden. Inhaltlich liegen "Bürgerkoalition", "Neue Linke" und "Dritter Weg" teils weit auseinander. Wie stabil könnte eine Koalition sein?
Donald Tusk und seine "Bürgerkoalition" haben gewonnen, aber der eigentliche Shootingstar der polnischen Parlamentswahlen heißt Szymon Hołownia. Lange war nicht sicher, ob sein Wahlbündnis "Dritter Weg" überhaupt den Einzug ins Parlament schaffen würde. Aber mit 14,4 Prozent und mehr als drei Millionen Stimmen ist das Bündnis aus dem Stand drittstärkste Kraft im Sejm geworden und hat alle Erwartungen übertroffen.
Ein Grund für den Überraschungserfolg war der Auftritt von Hołownia, Vorsitzender von "Polska 2050", bei einer Fernsehdebatte kurz vor der Wahl. Denn während Premierminister Mateusz Morawiecki und Oppositionskandidat Tusk sich stritten, stand Hołownia daneben und glänzte:
Wir bekommen nicht das, was wir schon längst haben sollten: InVitro-Behandlungen, die für alle erstattet werden. Sichere Schulen für unsere Kinder. Eine rentable Landwirtschaft. Und vor allem das, was UNSERE Regierung nach den Wahlen garantiert: nationale Versöhnung. Unser Feind ist außerhalb der Grenzen, nicht im Lande.
Überraschender Erfolg als Parteiloser
Der 47-jährige Hołownia ist ein guter Redner. Er ist Journalist, hat im Radio und Fernsehen moderiert, als katholischer Publizist zahlreiche Bücher geschrieben. Hołownia will die Alternative sein zwischen PiS und "Bürgerplattform", die dritte Option.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 trat er als parteiloser Kandidat gegen Amtsinhaber Andrzej Duda von der PiS und den Herausforderer Rafał Trzaskowski von der "Bürgerkoalition" an. Eigentlich war er chancenlos. Aber Hołownia erhielt aus dem Stand 13 Prozent der Stimmen und machte sich einen Namen in der polnischen Politik.
Er gründet die Partei "Polska 2050", die jüngste in Polen, und schmiedet ein Bündnis mit der ältesten: der Bauernpartei PSL. Die PSL ist 128 Jahre alt und seit 1989 durchgängig im Parlament vertreten. Ihre Kernwählerschaft lebt auf dem Land.
Vergebliches Werben
Deshalb macht die PiS der Bauernpartei jetzt offen Avancen, um vielleicht doch noch eine Mehrheit im Sejm zu bekommen. Der Parteichef der Bauernpartei, Władysław Kosiniak-Kamysz, wies das allerdings entschieden zurück und erinnerte daran, dass die Bauernpartei mit der Losung "Entweder 'Dritter Weg' - oder eine dritte Amtszeit für die PiS" angetreten sei.
Das habe die Wählerinnen und Wähler stark angesprochen: "Diejenigen, die für uns gestimmt haben, wollen eine Veränderung, sie wollen eine andere Regierung, sie wollen PiS von der Macht absetzen."
Ein breites Spektrum
Das Bündnis "Dritter Weg" aus "Polska 2050" und Bauernpartei gilt als gemäßigt konservativ, christlich, wirtschaftsliberal aber ökologisch. Von dort ist es ein ziemlich weiter Bogen zur "Neuen Linken", der dritten Partei in der anvisierten Koalition. Auch sie ist ein Zusammenschluss, in ihr versammeln sich Postkommunisten und junge linke Bewegungen.
Die fordert ein liberales Abtreibungsrecht, soziale Gerechtigkeit, mehr erschwingliche Wohnungen und weniger Einfluss der Kirche auf den Staat. Bei den Wahlen hat ihr das 8,6 Prozent gebracht.
Nicht nur Harmonie
Sollten die drei bisherigen Oppositionsparteien "Bürgerkoalition", "Polska 2050" und "Neue Linken" die Regierung in Polen bilden, wird es einige Streitthemen geben. So wollen "Bürgerkoalition" und "Neue Linke" legale Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche einführen. Ob das mit dem konservativeren Bündnis "Polska 2050" zu machen ist, ist fraglich.
Trotz aller Unterschiede spricht vieles dafür, dass die Dreier-Koalition funktionieren kann. Als "Senatspakt" arbeiten sie im Senat, der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, schon seit Jahren zusammen - und gegen die PiS. Sollte die Koalition zustande kommen, dann wird sie vor allem beweisen müssen, dass sie auch ohne den gemeinsamen Gegner PiS zusammenhält.