Proteste gegen Abtreibungsgesetz in Polen Auf die Straße für Dorota
Der neuerliche Tod einer Schwangeren im Krankenhaus hat wieder Menschen in ganz Polen gegen das rigide Abtreibungsgesetz auf die Straße gebracht. Die Wut richtet sich verstärkt auch gegen Ärzte. Die Regierung will die Regeln "präzisieren".
"Wir wollen Ärzte, keine Missionare", heißt es beim Protest in Warschau wie auch in anderen Städten Polens. Zusehends richtet sich der Zorn nicht nur gegen die Politik, sondern auch gegen die Ärzte. Sie, so der Vorwurf, würden heute selbst da zögern, wo ein Abbruch auch in Polen immer noch zulässig und dringend geboten sei, bei Gefahr für Leib und Leben der Mutter nämlich.
Anlass gab der neuerliche Tod einer 33-Jährigen im Krankenhaus, die erst ihr Ungeborenes im Leib verlor und dann bald selbst einer Blutvergiftung erlag. Wäre ein Abbruch vorgenommen worden, könnte Dorota vielleicht noch leben, heißt es, wie vor ihr schon Justyna, Agnieska, Izabela oder Ania.
"Das Abtreibungsverbot in Polen tötet, wie wir es von Anfang an vorausgesagt haben. Denn die Ärzte haben Angst, sie wollen das Leben der Frauen nicht retten, sie fürchten um ihre Karrieren", sagt Monika Roza von der rechtsliberalen Bürgerplattform.
Morawiecki nimmt Stellung
Der Ton wird rauer auch gegenüber den Ärzten; gerade Frauenärzte seien eben "besonders konservativ", schrieb die Frauenaktivistin Marta Lempart im Internet.
Es sind schwere Vorwürfe, doch die Regierung weist einen Zusammenhang mit der Gesetzgebung zurück. Premierminister Morawiecki nahm zum Tod der 33-jährigen Dorota aus dem südpolnischen Nowy Targ direkt Stellung:
Was passierte, ist außerordentlich traurig, aber wir sollten nicht schon heute schlussfolgern, denn es gibt eine Untersuchung, die hoffentlich möglichst schnell der Öffentlichkeit Aufschluss gibt. Wir sollten das Leid der Familie nicht noch vergrößern durch Politisierung. Aber ich will klar sagen: Wenn das Leben und die Gesundheit der Frau gefährdet sind, lässt das polnische Recht keine Wahl - dann soll man das Leben der Frau retten. Abtreibung ist nie eine einfache Wahl, aber manchmal einfach notwendig.
Staatsanwalt zwischen Arzt und Patient?
Michal Bulsa von der Stettiner Ärztekammer und selbst Frauenarzt, beklagt: Die Vorschriften seien keineswegs so eindeutig; man misstraue den Gerichten, die zudem oft viele Jahre bräuchten, bis sie entschieden. "Die politischen Attacken der letzten Zeit waren der Sicherheit der Patienten nicht dienlich." Patient und Arzt müssten ein Vertrauensverhältnis haben. "Zwischen uns darf kein Staatsanwalt stehen", sagt er. "Wir brauchen Lösungen, bei denen sich der Patient sicher fühlt, aber auch der verantwortliche Arzt."
Sie verstehe gar nicht, wie jemand heute überhaupt noch Frauenarzt werden wolle, angesichts der Dilemmata, die der Beruf wegen der strengen Gesetze mit sich bringt: Das sagt eine altgediente Gynäkologin. Ihr selbst hätten die Altvorderen damals noch geraten, mach den Frauenarzt, da geht es ums Leben und Glück, und nicht so sehr um Krankheit und Tod.