Möglicher Tod Prigoschins "Davon war auszugehen"
Mehrere deutsche Politiker haben sich nach dem möglichen Tod des in Ungnade gefallenen Wagner-Chefs Prigoschin wenig überrascht gezeigt. International fiel der Tenor ähnlich aus. Zugleich wurde davor gewarnt, in Prigoschin einen Märtyrer zu sehen.
Mehrere deutsche Politiker haben sich mit Blick auf den möglichen Tod des Chefs der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, bei einem Flugzeugabsturz in Russland wenig überrascht gezeigt.
"Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und sprach mit Blick auf Prigoschin von einem "Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt". Es zeige aber auch, "dass offensichtlich große Nervosität bei Putin und seinen Schergen im Kreml herrscht", fügte sie hinzu.
Der CDU-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen sieht Präsident Putin auch nach dem Tod Prigoschins geschwächt. "Entweder Putin oder Prigoschin - das blieb die Lage auch nach dem abgesagten Putsch", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ob die von Putin enthauptete Wagner-Gruppe sich nun erst recht zur Rebellion formiert oder sich führungslos fügt, ist eine offene Frage. Das Machtsystem Putins aber hat Risse bekommen, und das kann er nicht mehr stoppen."
Prigoschin war am Abend laut russischen Behörden an Bord eines in Russland abgestürzten Flugzeuges. Auch Wagner-nahe Quellen sprachen vom Tod Prigoschins. Eine offizielle Bestätigung gibt es bislang nicht, in Moskau wurde eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet.
Biden "nicht überrascht"
US-Präsident Joe Biden sagte am Abend: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht." Eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, sagte, man habe die Berichte über den möglichen Tod Prigoschins gehört. Auch sie betonte: "Wenn sie sich bestätigen, sollte niemand überrascht sein."
Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Onlinedienst X (vormals Twitter), den "Verbrecher Prigoschin" werde in Belarus "niemand vermissen". Er sei "ein Mörder" gewesen und "sollte als solcher in Erinnerung bleiben". Zudem werde "sein Tod" womöglich "die Präsenz der Wagner-Gruppe in Belarus auflösen und die Bedrohung für unser Land und unsere Nachbarn verringern".
Selenskyj-Berater: "Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst"
Auch für den Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, war der aus Russland gemeldete vermeintliche Tod Prigoschins seit dessen Meuterei gegen den Kreml im Juni absehbar. "Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben", sagte Podoljak der "Bild"-Zeitung am Abend.
"Der Aufstand von Prigoschin im Juni hat Putin wirklich erschreckt" und habe absehbar zu Konsequenzen führen müssen, denn: "Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst."
Sollte sich die These bestätigen, dass der Absturz des Flugzeugs mit Prigoschin an Bord auf ein Mordkomplott zurückgehe, handele es sich um eine "demonstrative Beseitigung" und "ein direktes Signal an die Eliten (...), dass die brutalen Morde an den "eigenen Leuten" in Russland beginnen". Damit hätte Moskau aus Sicht Podoljaks auch ein Signal an die eigene Armee gesendet, "dass es dort wirklich keine Helden gibt und dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft wird".
Expertin: Prigoschin wurde nach Meuterei noch einige Zeit gebraucht
Der mögliche Tod Prigoschins werde in Russland aber keinen öffentlichen Aufschrei auslösen, glaubt die Politologin Tatiana Stanovaya vom Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. Seine Unterstützer hätten Angst, schrieb Stanovaya auf Telegram. "Egal, was den Flugzeugabsturz verursacht hat, jeder wird ihn als einen Akt der Rache und Vergeltung" des Kremls ansehen, so Stanovaya.
Prigoschins Tod sei aus Sicht von Russlands Präsident Wladimir Putin "eine Lehre für alle potenziellen Nachahmer". Stanovaya zufolge war Prigoschin seit seiner Meuterei "nicht mehr der Partner der Behörden" und es habe für ihn keinen Weg zurück gegeben. "Ihm wurde nicht verziehen", schrieb die Russland-Expertin. "Prigoschin wurde nach der Meuterei noch einige Zeit gebraucht, um die Demontage von Wagner in Russland schmerzlos zu vollenden", so Stanovaya. Der "lebendige, fröhliche, kraftvolle und ideenreiche Prigoschin" sei jedoch eine Bedrohung für den Kreml gewesen - "die Verkörperung von Putins politischer Demütigung".