Erneut vor Gericht Nawalnys Extremismus-Prozess beginnt im Straflager
Zu Beginn seines jüngsten Prozesses sieht die Presse über eine Videoschalte einen sichtlich abgemagerten, aber kämpferischen Alexej Nawalny. Das Verfahren findet im Gefängnis statt - und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
In einem russischen Hochsicherheitsgefängnis hat ein neuer Prozess gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny begonnen. Die Anklage beruht auf Aktivitäten von Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung - zu den Anklagepunkten zählen unter anderem die Anstiftung und Finanzierung von Extremismus sowie die Gründung einer extremistischen Organisation.
Nawalny wies die Vorwürfe des Extremismus als absurd zurück. Sollte der 47-Jährige verurteilt werden, drohen ihm bis zu 30 Jahre zusätzliche Haft. Der Oppositionelle sitzt bereits eine neunjährige Haftstrafe ab.
Ein Prozess im Hochsicherheitsgefängnis
Der Prozess findet im Hochsicherheitsgefängnis in Melechowo 250 Kilometer östlich von Moskau statt, in dem Nawalny derzeit inhaftiert ist. Das Moskauer Stadtgericht, das den Prozess führt, ließ Journalisten im Verhandlungsraum nicht zu. Auch Nawalnys Eltern wurde der Zugang verwehrt. Die Eröffnung wurde stattdessen per Video in einen separaten Raum übertragen, war laut Berichten aufgrund schlechter Tonqualität aber kaum verständlich.
Nawalny trug Gefängniskleidung und wirkte abgemagert, sprach aber nachdrücklich und energisch bei Beginn des Verfahrens. Er bat zunächst um eine öffentliche Verhandlung, was von der Staatsanwaltschaft umgehend abgelehnt wurde. "Die Ermittler, die Staatsanwälte und die Behörden im Allgemeinen wollen nicht, dass die Öffentlichkeit von dem Prozess erfährt", sagte Nawalny.
Zudem zweifelte er die Zuständigkeit des Richters an, der zwar einem Moskauer Gericht angehöre, ihm aber in einer Strafkolonie weit von der Hauptstadt entfernt den Prozess mache. Außerdem forderte der Angeklagte, seine Eltern in den Verhandlungssaal zu lassen.
Kurz darauf vertagte sich das Gericht für eine Pause. Nachdem die Videoschalte gestoppt worden war, verkündete ein Gerichtssprecher, dass die weitere Verhandlung unter Ausschluss der Medien fortgesetzt werde. Der Kreml lehnte eine Stellungnahme ab. "Wir verfolgen diesen Prozess nicht", kommentierte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow das Geschehen.
Berlin beharrt auf Freilassung
In Berlin sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner, die russischen Behörden suchten "immer wieder nach neuen Vorwänden", um Nawalnys Haftstrafe zu verlängern. Die Bundesregierung halte weiter an der Forderung fest, den Oppositionspolitiker unverzüglich freizulassen.
Nawalnys Team betonte, es sei das erste Mal, dass gegen ihn auch formell politische Vorwürfe erhoben würden. "Er wird wegen seiner politischen Arbeit vor Gericht gestellt", sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch.
Festnahme nach Giftanschlag
Nawalny sitzt seit mehr als zwei Jahren hinter Gittern. Der prominente Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin deckte in der Vergangenheit Korruption auf und organisierte große Demonstrationen gegen den Kreml. Menschenrechtsgruppen und westliche Regierungen betrachten Nawalny als politischen Gefangenen - die Führung in Moskau bestreitet dies. Nawalny selbst wies bisher alle Anschuldigungen gegen ihn als frei erfunden und als Vorwand zurück, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Festgenommen wurde Nawalny im Januar 2021 nach seiner Rückkehr nach Russland. Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charite verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Nawalny hatte erklärt, der Kreml habe den Giftanschlag auf ihn veranlasst.