Ukraine-Russland-Konflikt Wie wirksam sind Sanktionen?
Die EU plant in der Ukraine-Krise neue Sanktionen gegen Russland. Sie sind ein beliebtes Werkzeug der europäischen Außenpolitik. Aber welche Auswirkungen haben Sanktionen überhaupt auf politische Entwicklungen?
Belarus, Mali, DR Kongo, China, Syrien, Libyen, Nordkorea, Iran: Die Liste der Staaten, gegen die die Europäische Union Sanktionen erlassen hat, ließe sich noch verlängern. Auch auf die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim verhängte die EU 2014 als Reaktion Maßnahmen gegen Russland. Seit Dienstag beraten die EU-Außenminister über neue, weitergehende Sanktionen. Der Druck auf Russland soll erhöht werden.
Die Erfolgsaussichten
Historisch gesehen seien international "zwischen 30 bis 40 Prozent" der Sanktionen auch politisch erfolgreich, sagt Erdal Yalçin von der Hochschule Konstanz. Der Volkswissenschaftler hat das weltweite Geflecht von internationalen Sanktionen in einer Datenbank zusammengetragen und analysiert. Insbesondere ökonomisch könnten die Effekte "dramatisch" sein, meint Yalçin, so wie im lange isolierten Kuba. Bei größeren Staaten seien die Aussichten, durch ökonomischen Druck auch politische Zugeständnisse zu erzeugen, allerdings deutlich geringer.
Dass Russland angesichts neuer EU-Sanktionen etwas an seiner Ukraine-Politik ändern werde, hält Yalçin für "unwahrscheinlich". Auch seien die bisherigen Sanktionen deutlich weniger umfassend als beispielsweise gegen Nordkorea oder den Iran - und der Druck entsprechend geringer.
Abschreckung durch Sanktionen
Für Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik sind Sanktionen auch eine Form der "glaubwürdigen Warnung". Bei früheren Sanktionen, beispielsweise gegen Russland im Jahr 2014, den Iran oder Südafrika, hätten Sanktionen zwar zu politischen Fortschritten beigetragen.
Für die aktuelle Krise seien neue Sanktionen allerdings ohnehin nicht so wichtig, glaubt Kluge. Sie dienten vor allem auch als ein Mittel der Abschreckung, um zukünftige Eskalationen zu vermeiden.
Deswegen seien ihre politischen Effekte generell schwerer zu messen als ihre ökonomischen Auswirkungen. Sie seien aber auch die einzige Alternative, da militärische Optionen für die EU ausschieden. "Sanktionen sind kein perfektes Instrument", aber das "beste verfügbare Instrument für die EU", so Kluge.
Völkerrechtliche Normen verteidigen
Inzwischen seien Sanktionen international sehr etabliert, sagt Julia Grauvogel vom Hamburger Leipniz-Institut für Globale und Regionale Studien. Eine EU-Reaktion ohne Sanktionen würde deswegen beinahe "einer Legitimierung der Verletzung der territorialen Unverletzbarkeit der Ukraine" gleichkommen, so die Politikwissenschaftlerin.
Auch sie glaubt nicht daran, dass Russland sein politisches Verhalten aufgrund von Sanktionen umstellen werde. Dies sei aber auch nicht zwangsläufig das Hauptziel. Es gehe der EU bei den aktuellen Sanktionen wohl insbesondere darum, völkerrechtliche Normen zu verteidigen.
Die Lehren aus vergangenen Sanktionen
Besonders erfolgreich waren Sanktionen laut Grauvogel bisher, wenn sie gegen wirtschaftlich schwächere Länder verhängt worden sind. Außerdem hätten sie auf autoritär regierte Staaten weniger sichtbare Auswirkungen als auf Demokratien.
Darüber hinaus, so Volkswirtschaftler Yalçin, seien Sanktionen effektiver, je mehr Staaten sie international mittragen. Deswegen sei es auch eine entscheidende Frage, wie Russlands Nachbar China mit der Situation umgehen werde.
Energiesektor und Handelsverbot für Staatsanleihen
Russlands größter Handelspartner ist bereits seit mehreren Jahren China. Der Umfang der deutsch-russischen Importe und Exporte ist seit zehn Jahren spürbar gesunken. Einen Großteil seiner Exporte generiert Russland durch den Verkauf von Erdöl und Gas - insbesondere nach Europa.
Eine "extreme Maßnahme" wären deswegen Sanktionen im Energiesektor, die Russland empfindlich treffen, glaubt Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Finanziell wäre ein Lieferstopp für Russland zwar einige Zeit "tragbar". Aber vor allem ein Stopp von Gas-Lieferungen in die EU sei für Russland kurz- und mittelfristig auch nicht mit einem Verkauf nach China zu kompensieren.
Auch ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen würde immerhin ökonomische Auswirkungen haben, so Kluge. Der Anteil von Staatsanleihen, die von Ausländern gehalten werden, liege bei rund 20 Prozent. Diese könnte das russische Finanzministerium bei entsprechenden Sanktionen zwar aufkaufen, den Abfluss von ausländischem Kapital und Sorgen von potentiellen Investoren aber nicht verhindern.