
Schiffskollision in der Nordsee Küstenwache befürchtet Sinken des Frachters
Nach der Kollision zweier Schiffe vor der britischen Nordseeküste brennt der Frachter "Solong" noch immer. Die Küstenwache befürchtet, dass er sinken könnte. Die Polizei nahm inzwischen einen Verdächtigen fest.
Das in Brand geratene Frachtschiff "Solong" könnte nach Einschätzung der Küstenwache sinken. Das meldete die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf den zuständigen Staatssekretär Mike Kane. Die "Solong" war am Montagvormittag mit dem Tanker "Stena Immaculate" vor der britischen Nordseeküste kollidiert.
Die Lösch- und Sicherungsmaßnahmen bei beiden Schiffen dauern an. Das Containerschiff "Solong" brennt nach Angaben der Küstenwache noch immer. Kane zufolge geht die Küstenwache davon aus, dass das Schiff nicht "schwimmfähig bleibt". Auf Luftaufnahmen der BBC ist zu sehen, dass der Frachter weitgehend ausgebrannt ist.
Die Schiffe sind laut niederländischem Bergungsunternehmen Boskalis inzwischen nicht mehr ineinander verkeilt. Die "Solong" drifte Richtung Süden, erklärte Kane laut PA im britischen Unterhaus. Modellrechnungen zufolge treibe sie in den nächsten Stunden aber nicht auf Land zu.

Rauchschwaden steigen vom Frachtschiff "Solong" vor der Küste Yorkshires auf.
Feuer auf Tanker offenbar gelöscht
Das Feuer auf der "Stena Immaculate" sei inzwischen wohl gelöscht, sagte Kane. Zuvor hatte die Küstenwache mitgeteilt, der Brand sei stark eingedämmt worden.
Die Gefahr, dass der Tanker auseinanderbreche, sei klein, hieß es vom Bergungsunternehmen. Das Schiff liege stabil. Zunächst müsse der Tanker von außen gekühlt werden. "Wir müssen erst kühlen und dafür sorgen, dass die Temperatur auf dem Schiff sinkt." Geplant sei, den Tanker in einen sicheren Hafen zu schleppen.

Die "Stena Immaculate" hat Flugzeugtreibstoff geladen - und soll schnell geborgen werden.
Verdächtiger festgenommen
Die britische Polizei nahm einen Verdächtigen im Zusammenhang mit der Kollision fest. Gegen den 59-jährigen Mann bestehe der Verdacht der grob fahrlässigen Tötung, teilten die Behörden mit. Weitere Details nannten sie zunächst nicht.
"Es wurden bereits umfangreiche Maßnahmen durchgeführt, und wir arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, um zu rekonstruieren, was passiert ist, und um allen Betroffenen Unterstützung zu bieten", sagte der leitende Ermittlungsbeamte, Craig Nicholson, der Mitteilung zufolge. Staatssekretär Kane betonte aber im britischen Parlament: Hinweise für eine absichtliche Herbeiführung des Unglücks lägen nicht vor. "Es gibt im Moment keine Hinweise darauf", sagte er.
Besatzungsmitglied für tot geklärt
In der Nacht war die Suche nach dem einzigen vermissten Besatzungsmitglied der "Solong" abgebrochen worden. Die vermisste Person sei "nach einer umfangreichen Suche" nicht gefunden worden, teilte ein Vertreter der britischen Küstenwache mit. Die britische Regierung geht nach eigenen Angaben inzwischen vom Tod des Mannes aus. 36 Besatzungsmitglieder von beiden Schiffen waren zuvor sicher an Land gebracht worden, ein Mensch kam demnach ins Krankenhaus.
Der Tanker "Stena Immaculate" wurde am Montagmorgen von dem Containerschiff "Solong" gerammt, als er vor der Mündung des Flusses Humber vor Anker lag. Warum es zu dem Unglück kam, ist noch unklar. Die Untersuchungen dazu liegen federführend bei den Flaggenstaaten. Die "Stena Immaculate" fährt unter US-Flagge, nach Informationen des NDR fährt die "Solong" unter portugiesischer Flagge und gehört zur Hamburger Reederei Ernst Russ.

Küstenwache hält Meeresverschmutzung für wahrscheinlich
Mit den andauernden Löscharbeiten wächst auch die Sorge vor Umweltschäden. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace teilte mit, man beobachte die Berichte genau. "Sowohl die hohe Geschwindigkeit als auch die Videos von den Folgen geben Anlass zu großer Sorge", sagte ein Sprecher.
Ein Sprecher von Premierminister Keir Starmer sagte, es sei eine "äußerst besorgniserregende Situation". Ohne weitere Details zu kennen, werde nicht über die Unglücksursache spekuliert. Nach Angaben der britischen Küstenwache ist es "wahrscheinlich", dass das Unglück eine Verschmutzung des Meeres zur Folge haben wird.
Reederei dementiert Berichte über Natriumcyanid
Berichte, wonach der Frachter "Solong" mehrere Behälter mit Natriumcyanid geladen habe, wurden von deren Reederei Ernst Russ dementiert. Natriumcyanid ist eine giftige Substanz, die das Ökosystem belasten kann. Die Container seien jedoch leer gewesen, hieß es in einer Mitteilung des in Hamburg ansässigen Unternehmens. Sollte der Frachter in Küstennähe untergehen oder auf Grund laufen, wird aber befürchtet, dass Diesel im Tank des Schiffs die Küste verpesten könnte
Aus dem Tanker ist dem Schifffahrtsunternehmen Crowley zufolge Flugzeugtreibstoff ausgetreten. Den Angaben zufolge hatte die "Stena Immaculate" bei dem Zusammenstoß 220.000 Barrel (knapp 35 Millionen Liter) davon geladen. Die Ladung sei auf 16 voneinander getrennte Tanks verteilt gewesen, teilte der US-Konzern mit. Mindestens einer dieser Tanks sei bei dem Aufprall beschädigt worden. Wie viel von dem Treibstoff aber genau ins Wasser gelangt sein könnte, ist unklar. Laut BBC hatte der zivile Tanker den Treibstoff im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums geladen.