Benachteiligung im Lockdown Roma-Schülerin verklagt erfolgreich die Slowakei
Wer keinen Internetzugang hatte, konnte während des Corona-Lockdowns nicht am Schulunterricht teilnehmen. So erging es etwa Roma-Familien in der Slowakei. Eine Schülerin klagte - mit Erfolg.
Als ihre Schule wegen Corona geschlossen wurde, ging Amy Feriova gerade in die erste Klasse. Internet oder elektronische Geräte hatte sie nicht. Sie lebt bei ihrer Großmutter Veronika Duzdova in einem Roma-Viertel in Jarovnice im Nordosten der Slowakei. "Wenn ich während Covid nicht mit ihr gelernt hätte, würde sie gar nichts können. Ich hatte Angst, also bin ich zur Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte gegangen. Die haben mir gebracht, was ich gebraucht habe", erzählt Duzdova.
Die NGO hat die Schülerin auch vor Gericht vertreten. Inzwischen ist Amy Feriova zehn Jahre alt und hat das slowakische Bildungsministerium verklagt. "Der Staat hatte angenommen, dass die Kinder Zugang zum Internet haben, dass sie digitale Geräte besitzen und digitale Grundkenntnisse", sagt Amys Anwältin Vanda Durbakova. "Das war aber bei Kindern aus ausgegrenzten Roma-Gemeinden nicht der Fall. Und der Staat hat sich nicht darum gekümmert."
3.000 Euro Schadenersatz
Das Bezirksgericht in Presov hat entschieden, dass der Staat gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hatte. Er muss Amy außerdem 3.000 Euro Schadenersatz zahlen, erklärt die Gerichtssprecherin Iveta Petrufova. Was Amys Zugang zu Bildung betreffe, sei es zu indirekter Diskriminierung gekommen. "Wegen ihrer sozialen Herkunft, ihrer Vermögenslage und ihrer ethischen Herkunft. Und zwar, weil der Staat keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen hat."
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Bildungsministerium kann noch Berufung einlegen. Dennoch sei es die erste Gerichtsentscheidung in Europa zur digitalen Kluft, mit der viele benachteiligte Gruppen konfrontiert seien, meint die NGO Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte.
Schulleitung fürchtet weitere Gerichtsverfahren
Amys Schule trat als Zeugin auf. Man habe sich nur an Anweisungen des Ministeriums gehalten und die hätten sich ziemlich oft geändert, sagte der stellvertretende Schuldirektor Jan Maslej. Gegen das Urteil hat er Einwände. An der Schule seien sehr viele Kinder aus armen Verhältnissen. Viele hätten weder Zugang zum Internet noch ein Notebook. "Jetzt können doch auch alle anderen Schüler versuchen, sich so eine Summe vom Staat auf dem Prozessweg zu erstreiten", sagt Maslej. Außerdem sei die Schülerin auch dann nicht zum Unterricht gekommen, als es laut den Pandemie-Regeln möglich war.
Doch das will Amy Feriova nicht gelten lassen: "Ich bin nicht zur Schule gegangen, denn es war Covid und meine Großmutter hatte Angst um mich." Inzwischen geht Amy in die fünfte Klasse. Sie hat einen Internetzugang und dank eines Bildungsprojektes seit diesem Schuljahr auch ein Tablet.