Ausländerfeindliche Krawalle Southport und die Falschmeldung - wie alles begann
Über Tage gab es ausländerfeindliche Randale in zahlreichen britischen Städten, angeheizt von einer Falschinformation im Netz. Die BBC hat den Ursprung nun zurückverfolgen können.
Alles begann mit einer Falschinformation. In Southport attackierte ein 17-Jähriger mehrere Menschen in einer Tanzschule - drei Kinder starben. Schnell verbreitete sich im Netz die Information, der Jugendliche sei Asylbewerber, Muslim und letztes Jahr mit dem Boot über den Ärmelkanal gekommen. Doch diese Info war falsch. Der mutmaßliche Täter ist im Vereinigten Königreich geboren, als Sohn von Einwanderern. Die Falschinformation wurde im Netz geteilt, sorgte für Empörung, heizte viele an, die auf die Straße gingen. Über Tage hinweg gab es gewaltvolle Randale in zahlreichen Städten.
Wie konnte das passieren? Die BBC hat in einer Recherche zurückverfolgt, wo diese Falschinformation zunächst veröffentlicht wurde. Die irreführenden Berichte gehen zurück auf ein Nachrichtenportal: Channel3Now. Die Seite ist auf Kriminalität spezialisiert.
In einer Stellungnahme gegenüber der BBC sagte ein Mitglied der Geschäftsführung, die Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Angreifer von Southport sei ein Fehler gewesen, keine Absicht. Ein Mitarbeiter der Seite erklärte, das Unternehmen sei kommerziell ausgerichtet, es gehe darum, so viele Stories wie möglich zu veröffentlichen. Verbindungen zu Russland konnte die BBC nicht verifizieren.
Online-Desinformation mit Offline-Folgen
Eine Falschmeldung, die ins Weltbild vieler passt, die die Information verbreiten. Auf Telegram, auf X (vormals Twitter) mit sehr konkreten Auswirkungen: "Was wir hier gesehen haben ist, dass eine Falschmeldung im Netz verbreitet wird und dies offline zu Gewalt und Ausschreitungen führt", sagt Sander van der Linden, Professor für Psychologie an der Universität Cambridge und Experte für Fake-News. Falschmeldungen verbreiteten sich auch deshalb so schnell, weil jeder im Netz publizieren könne.
"Die Informationen sind ohne Belege, nicht verifiziert. Und diese Beiträge können viral gehen", so van der Linden. "Medienkonzerne haben Fakten-Checker, Redakteure, Producer, die alle prüfen. Es gibt Hürden, bis eine Info rausgeht. Diese Plattformen haben aber keine Kontrollmechanismen."
Medienmacht verschiebt sich zu den Internetkonzernen
In der vergangenen Woche hat genau das auch die britische Tageszeitung The Sun aufgegriffen. Auf dem Titel der Zeitung war zu lesen: "Anti-Social Media" - ein Wortspiel mit dem Begriff Social Media. Daneben war ein Steinewerfer abgedruckt. Im Untertitel hieß es: "Wie Facebook und andere die Gewalt auf unseren Straßen lostreten."
Der Titel ist auch deswegen so bemerkenswert, weil hier eine Zeitung, die zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, die Zeitenwende deutlich macht. Es sind nicht mehr die Tabloids, die reißerischen Tageszeitungen, die im Vereinigten Königreich den Ton angeben, Politik machen, sondern zunehmend die großen Internetkonzerne.
Elon Musk, Besitzer des Dienstes X, griff in den vergangenen Tagen immer wieder den britischen Premier Keir Starmer an. Ein Bürgerkrieg sei unvermeidlich, schrieb der Unternehmer.
Musk warf Starmer zum Beispiel vor, dass gegen die "weißen Protestierenden" ganz anders vorgegangen werde als gegen Straftäter mit Einwanderungshintergrund. Dafür lieferte er keine Belege. Britische Politiker vom rechten Rand wie Nigel Farage griffen das Argument gerne auf - auch ohne Belege zu liefern. X-Chef Musk ließ auch den extrem rechten Aktivisten Tommy Robinson auf X wieder zu, der dort 900.000 Follower hat und rechte Tweets und Missinformation teilt, Randalierer anstachelt.
Versuche zur staatlichen Regulierung stecken im Vereinigten Königreich in den Anfängen. Hannah Rose, Expertin für Extremismus vom Institute for Strategic Dialogue, nennt als Beispiel den Online Safety Act: "Das Gesetz soll Plattformen dazu zwingen, illegale Inhalte zu löschen. Und wenn sie dies nicht tun, gibt es Strafzahlungen. Aber die Regularien werden gerade erst aufgesetzt."
Wie wirksam dieses Gesetz ist, ist unklar. Es wird von der Position der staatlichen Regulierungsstelle abhängen.