Debatte in Spanien über Fleisch Jamón und Chuletón spalten die Regierung
Hackfleischbällchen oder Jamón Ibérico: Die spanische Küche ist nicht unbedingt fleischarm. Das schadet dem Klima, sagt Spaniens Verbraucherminister - und löst damit eine Debatte aus, die auch die Regierung spaltet.
Alles fing an mit einem Video, das das Verbraucherschutzministerium vor ein paar Tagen online veröffentlicht hatte. Der Titel: "Weniger Fleisch, mehr Leben." Minister Alberto Garzón von der Linkspartei Izquierda Unida verkündet darin folgende Botschaft: "Wer viel Fleisch isst, schädigt seine Gesundheit und unseren Planeten. Wenn wir unsere Ernährung ändern, verbessern wir die Lage des Planeten. Die Gase, die Kühe ausstoßen, und der Kot von Schweinen schädigt den Planeten mehr als die Abgase von Autos."
"Mit Essen spielt man nicht!"
Dass solche Sätze einen Aufschrei auslösen, war klar. In den Sozialen Netzwerken machen Kommentare die Runde wie "die Kommunisten wollen uns jetzt vorschreiben, was wir essen müssen". In Interviews rudert der Minister zurück, jeder könne natürlich selbst entscheiden, was bei ihm auf den Tisch komme.
Aber die Sätze aus dem Video sind nun einmal in der Welt. Pedro Barato, der Präsident des Landwirtschaftsverbandes ASAJA, ist wütend: "Minister Garzón handelt unverantwortlich", sagt er. So sehe Hilfe für das Land, für eine Branche nicht aus. "Herr Minister, mit Essen spielt man nicht!"
800.000 Beschäftigte in der Fleischbranche
Die Fleischindustrie sieht ihre Branche in Gefahr. Spanien ist einer der größten landwirtschaftlichen Produzenten Westeuropas; viele spanische Nahrungsmittel landen auch auf dem deutschen Markt. In der Agrar- und Viehwirtschaft des Landes arbeiten nach amtlichen Angaben rund 800.000 Menschen.
Landwirtschafts- und Ernährungsminister Luis Planas sieht sich als Verteidiger dieser Arbeitsplätze. Er gehört der sozialistischen Partei an und ist von den Plänen seines politisch weiter linksstehenden Ministerkollegen alles andere als begeistert. Es sei eine "unglückliche Kampagne", so Planas. "So sage ich das, weil ich so denke. Und ich finde, dass unsere Viehzüchter eine solche Kampagne einfach nicht verdient haben."
Ministerpräsident Sánchez outete sich als Fan von medium gebratenen Steaks.
"Ein Steak, medium gebraten, ist unschlagbar"
Ein offener Streit in der spanischen Koalitionsregierung ist ausgebrochen. Offensichtlich haben die Ressorts ihre Kampagnen untereinander nicht abgestimmt. Journalisten sprechen Ministerpräsident Pedro Sánchez bei einem Besuch in Litauen darauf an. Er lächelt und antwortet: "Ganz persönlich sage ich dazu: Ein Steak, medium gebraten, ist unschlagbar."
Der kritisierte Verbraucherminister Garzón hält dennoch an seiner Kampagne fest. Er beruft sich auf Studien, wonach die Spanierinnen und Spanier pro Jahr mehr als 50 Kilogramm Fleisch essen. Die Vereinten Nationen empfehlen dagegen 26 Kilo.
Hohe Lebenserwartung trotz hohen Fleischkonsums
Was Statistiken allerdings auch belegen: Die Lebenserwartung der Menschen in Spanien gehört zu höchsten der Welt. Das liegt laut Minister Garzón "an der mediterranen Diät. Sie sieht so gut wie kein rotes Fleisch vor". Stattdessen bildeten Gemüse, Hülsenfrüchte und Fisch die Basis. Aber - ergänzt der Minister: "70 Prozent der Spanierinnen und Spanier folgen der mediterranen Diät inzwischen nicht mehr und essen lieber Fleisch und industriell verarbeitete Speisen.“
Fragt man die Menschen auf der Straße in Madrid, geben viele genau das zu. "Ja, man müsse mehr Fisch, mehr Gemüse und weniger Fleisch essen", sagt etwa eine Frau. Sie meint: Für viele im Land sei ein Essen ohne Fleisch keine vollständige Mahlzeit.
Verzichten möchte daher kaum jemand auf den Jamón Ibérico oder ein Chuletón, das Steak, oder die berühmten Albóndigas, die Hackfleischbällchen, die aus einer spanischen Tapas-Bar auch nur schwer wegzudenken sind.