"Voice of Europe" Pro-russische Propaganda quer durch Europa
Aus einem Prager Büro soll das Online-Portal "Voice of Europe" Kontakte quer durch Europa gepflegt haben - bis ins EU-Parlament. Und es soll Geld an Politiker gezahlt haben, darunter auch Mitglieder der AfD.
Das Lobby-Netz "Voice of Europe" hat seinen Sitz direkt im Stadtzentrum von Prag, in der Nähe des Wenzelsplatzes. Im März vor einem Jahr ließ sich ein polnischer Staatsbürger dort im tschechischen Handelsregister eintragen, erklärt der Journalist Vojtech Berger vom unabhängigen Investigativportal "Hlidaci pes".
"Es war nicht nur ein virtueller Sitz an dieser Adresse. Es gab wirklich ein ordentliches Büro dort und ich habe letzten September geklingelt", so Berger. Zu seiner großen Überraschung habe auch jemand geöffnet. "Es war eine junge Frau, die vielleicht ein bisschen überrascht war, dass ich auf Englisch angefangen habe zu sprechen. Das hat sie ziemlich bald gestoppt und auf Russisch jemanden gerufen namens Seryozha."
Von diesem Prager Büro aus soll der pro-russische Propaganda-Server Kontakte quer durch Europa gepflegt haben - sogar bis ins EU-Parlament. Das Portal war auch in den sozialen Medien aktiv und auf Deutsch verfügbar. Das Ziel: Die Ukraine zu diskreditieren und Einfluss auf die Europawahlen zu nehmen. Das hat der tschechische Geheimdienst BIS enthüllt.
Portal sollte Ukraine diskreditieren
Die tschechische Regierung setzte die Betreiber der Internetseite "Voice of Europe" daraufhin auf ihre Sanktionsliste gegen Russland, so Regierungschef Petr Fiala. "Wir haben beschlossen, in ein pro-russisches Netzwerk einzugreifen, das versucht hat, von unserem Staatsgebiet aus zu operieren, mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Sicherheit Tschechiens und der Europäischen Union."
Ziel der einflussreichen Gruppe war es Fiala zufolge, die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu gefährden. Diese Versuche seien sorgfältig dokumentiert - die Beweisakte umfasse 300 Seiten.
Auf der tschechischen Sanktionsliste stehen nun auch zwei ukrainische Geschäftsleute und Politiker mit engen Verbindungen nach Russland: Artyom Marchevsky und Viktor Medwedtschuk. Letzterer ist in der Ukraine angeklagt wegen Hochverrats - im Zuge eines Gefangenenaustauschs konnte Medwedtschuk offenbar das Land verlassen und nach Moskau reisen. Der Oligarch gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er wird angeblich seit Jahren dafür bezahlt, russische Interessen zu vertreten. Bekannt ist er auch als "Fürst der Finsternis".
"Voice of Europe" zahlte Geld an europäische Politiker
Die tschechische Tageszeitung "Denik N" berichtet, das pro-russische Portal "Voice of Europe" habe Erklärungen von Politikern veröffentlicht, in denen die EU aufgefordert wird, ihre Hilfen für die Ukraine einzustellen. Einige Politiker habe die Nachrichtenseite dafür mit russischem Geld bezahlt - das habe den tschechischen Recherchen zufolge in einigen Fällen auch Kosten für den Europawahlkampf abgedeckt.
Zahlungen sollen Politiker aus sechs Ländern erhalten haben: aus Belgien, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden, Polen - und aus Deutschland. Die tschechischen Journalistinnen und Journalisten schreiben, dass in Prag Bargeld an, wie es heißt, "systemfeindliche Politiker" aus Deutschland übergeben worden sei. Sie berufen sich auf den tschechischen Geheimdienst.
Namen nennt dieser nicht, hat seine Erkenntnisse allerdings nach den Medienberichten mit anderen europäischen Geheimdiensten geteilt. Bekannt ist, dass dieses pro-russische Propagandaportal in der Vergangenheit Interviews etwa mit Maximilian Krah veröffentlichte, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, sowie mit dem zweiten auf der AfD-Liste, Petr Bystron. Der Bundestagsabgeordnete stammt aus dem heutigen Tschechien.
Portal setzte auf rechtsextreme und AfD-nahe Quellen
Über Verbindungen von "Voice of Europe" nach Deutschland hat auch der Journalist Berger seit Monaten recherchiert. "Neben den Interviews mit den AfD-Politikern, aber auch mit vielen anderen Politikern, der sogenannten rechten oder rechtspopulistischen Allianz, war ganz schnell klar, dass diese Website ganz gezielt auf Quellen setzt, die zum Beispiel in Deutschland als erwiesen rechtsextrem gelten oder ganz klar nahe zu der AfD stehen."
Zitiert wurden laut Berger das Compact-Magazin, der Deutschland-Kurier oder das Netzwerk "Unser Mitteleuropa". Alle diese Portale habe "Voice of Europe" vereint, übersetzt und verbreitet. Der tschechische Premier Fiala betont, dass seine Regierung nie Webseiten abgeschaltet habe und es auch dieses Mal nicht tun werde.
Der Staat werde aber die Sanktionen durchsetzen. Das heißt, Konten und Firmenanteile einfrieren und Aufenthaltsverbote durchsetzen. Die Internetseite von "Voice of Europe" ist bereits seit Mittwochabend nicht mehr online.